Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
begleiten«, schlug Cécile vor.
»Das ist nett von dir, aber mir ist heute Abend nicht so nach Theater.« Genau genommen war mir nach gar nichts mehr, außer mich wieder hinzulegen und weiterzuschlafen. Ich fühlte mich völlig zerschlagen, und schon bei der bloßen Aussicht, morgen wieder im Goldenen Hahn anzutreten und den ganzen Tag zu kellnern, tat mir gleich alles doppelt so weh.
»Oh, nein, heute findet keine Vorstellung statt. Ich besuche eine Soiree der Marquise de Rambouillet.« Cécile blickte mich erwartungsvoll an, anscheinend musste man diese Marquise kennen.
»Tut mir leid, den Namen habe ich noch nie gehört. Wer ist das?«
»Catherine führt den gefragtesten Salon in Paris. Die Leute reißen sich darum, von ihr eingeladen zu werden.«
»Also … ähm, mit Salon meinst du nicht etwa so was wie … du weißt schon, irgendwas Verbotenes?«
Cécile lächelte breit. »Ah. Du denkst an Peitschen und andere heimliche Laster. Käme das für dich infrage?«
»Auf keinen Fall.«
»Dann sei unbesorgt. Bei Catherine treffen sich nur sittlich gefestigte Persönlichkeiten, und diese Zusammenkünfte dienen ausschließlich der geistigen Erbauung. Es wird über Literatur gesprochen, über Theater, Malerei und Musik. Und mit Salon ist wirklich ein Salon gemeint, in einem sehr eleganten Palais in der Rue Saint-Thomas du Louvre, dem Hôtel Rambouillet. Und das Beste daran ist – Catherine kennt keine Standesgrenzen, gerade das macht ihren Zirkel so ungewöhnlich und so beliebt. Adlige debattieren mit schlichten Bürgerlichen, niemand wird ausgegrenzt. Im Gegenteil, die unterschiedliche Herkunft der Besucher übt besonders auf die hochstehenden Teilnehmer einen großen Reiz aus. Du glaubst nicht, wer zu den ständigen Besuchern gehört!« Cécile machte eine dramatische kleine Kunstpause. »Kardinal Richelieu höchstpersönlich!«
Plötzlich war ich hellwach. »Kommt er heute Abend auch?«
»Höchstwahrscheinlich. Der Kardinal lässt diese Treffen selten aus. Er liebt es, anspruchsvolle Unterhaltungen mit gebildeten, intelligenten Menschen zu führen, und so viele auf engstem Raum beisammen findet er sonst nirgends.«
Vor meinem geistigen Auge blinkte ein Satz, den Philippe zu mir gesagt hatte. Und der Kardinal tut in Paris nie einen Schritt ohne seine Leibgarde. Es lag also nahe, dass er mit seinen üblichen Bodyguards zu diesem Salon-Event auflief. Weshalb anzunehmen war, dass Sebastiano auch dort war.
Entschlossen rappelte ich mich hoch. »Ich komme mit.« Dann hakte ich nach: »Kannst du mich denn einfach so mitbringen?«
»Aber ja!« Céciles Augen leuchteten. »Und zwar genau so, wie du bist, in schlichtem Gewand und mit ungeschminktem Gesicht. Du bist geradezu ein Paradebeispiel dafür, dass die Kraft des Geistes keinen Schranken unterworfen ist, weder denen des Standes noch des Geschlechts! Sieh dich doch nur an! Du bist ein blutjunges, aus der Heimat vertriebenes Mädchen. Ohne elterlichen Schutz, ohne Vormund, ohne Vermögen. Und trotzdem kannst du lesen und schreiben und spielst sogar Clavichord! Catherine wird von dir hingerissen sein! Sie selbst spricht mehrere Sprachen perfekt, ihre Bildung ist legendär!«
Mit einem leicht mulmigen Gefühl fragte ich mich, auf was ich mich da wohl einließ.
Es war eine angenehme Überraschung, dass wir nicht zu Fuß gehen mussten. Für diesen Tag waren meine Reserven mehr als aufgebraucht. Meine Füße waren zwei Klumpen aus Schmerz. Deshalb atmete ich erleichtert auf, als eine Kutsche vor dem Haus auf uns wartete, die Cécile extra für die Fahrt zum Hôtel Rambouillet bestellt hatte. Unterwegs wäre ich fast wieder eingeschlafen. Die Räder ratterten über das Pflaster, das Gefährt schwankte hin und her. Im Inneren der Kutsche war es bis auf den schwachen Schein einer kleinen Talgleuchte dunkel, und auch von draußen drang nicht viel Licht herein. Ab und zu sah man irgendwo in den Straßen Fackeln oder Laternen aufleuchten, die aber kaum Helligkeit verbreiteten. Dafür stank es umso heftiger. Die Fenster der Kutsche bestanden aus hölzernen, mit Tuch bespannten Läden, die wegen der Hitze geöffnet waren. Von der Seine stiegen üble Dünste herauf, so scharf und widerwärtig, dass ich mir den Ärmel vors Gesicht drücken musste. Es roch wie eine Mischung aus Latrine und Friedhof und beißender Säure.
Cécile erklärte, der Gestank komme von einer Gerberei am Ufer des Flusses, wo oft in der Nacht gearbeitet werde, weil in der Nachbarschaft tagsüber
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