Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
akzentfrei!« Sie stemmte sich von dem Sofa hoch. »Was für ein ungewöhnliches Geschöpf! Wenn die Sprachkünste schon derart beachtlich sind, bin ich auf die musikalische Begabung erst recht gespannt! Ich werde das Clavichord herbringen lassen.« Mit einem erwartungsvollen Lächeln entfernte sie sich.
Cécile musterte mich bewundernd. »Ich wusste, dass du Eindruck hervorrufen würdest. Ich wette, du wirst eine Zierde dieses Salons werden!«
»Häh?«, machte ich verdutzt.
Cécile lachte gutmütig. »Willst du nach Komplimenten fischen? Sie hat dich gerade in drei verschiedenen Sprachen angesprochen, und du hast ihr in jeder einzelnen perfekt geantwortet. Kein Wunder, dass sie entzückt von dir ist!«
Ungläubig starrte ich sie an, dann kapierte ich, was los war. Der Translator! Er hatte einfach alles automatisch übersetzt. Und weil es zu seiner Funktionsweise gehörte, dass man davon nichts bemerkte – außer, wenn er neumodische Wörter in zeitlich passendere umwandelte –, hatte ich es natürlich nicht mitgekriegt.
»Mein Glas ist leer«, sagte Cécile aufgekratzt. »Ich geh mir rasch Nachschub holen. Beweg dich nicht von der Stelle. Ich bin gleich zurück.« Sie verschwand auf der Suche nach Trinkbarem im Nebenraum. Kaum war sie weg, rief eine Stimme, die mir bekannt vorkam, meinen Namen.
»Anna!«
Ein Mann tauchte aus dem Gedränge der Besucher auf, und unwillkürlich hielt ich die Luft an. Doch es war nicht Sebastiano, sondern Jacques (oder möglicherweise auch sein Zwillingsbruder Jules), der freudestrahlend auf mich zukam. »Was tust du denn hier? Warum bist du nicht zu unserer Verabredung zum Luxembourg gekommen? Ich habe auf dich gewartet!«
Damit war zumindest entschieden, dass es sich tatsächlich um Jacques handelte.
»Tut mir leid, aber mir ist was dazwischengekommen«, sagte ich. Wie elektrisiert spähte ich über seine Schulter. Da drüben war Sebastiano, er war tatsächlich hier! O Gott, und er sah wieder so gut aus! Mir entwich ein Seufzen. Diesmal trug er keine Uniform, sondern ein elegantes, azurblaues Wams, das in Kombination mit der kunstvoll drapierten Schärpe und dem breiten Spitzenkragen an jedem anderen Mann tuntig ausgesehen hätte, Sebastiano jedoch großartig stand.
Der Kardinal war bei ihm. Die zwei redeten miteinander. Und Jacques redete mit mir. Allerdings bekam ich davon kaum was mit.
»… wirklich wunderbar«, hörte ich ihn sagen.
»Das freut mich«, sagte ich geistesabwesend, in der Hoffnung, dass es passte. Sebastiano verschwand mit dem Kardinal im Nebenraum. Irgendwie musste ich es anstellen, ihn allein zu sprechen. Fragte sich nur, wie.
»War das nicht gerade dein Freund Sébastien?«, fragte ich Jacques. »Was habt ihr überhaupt hier zu tun?«
»Wir sind im Dienst«, sagte Jacques. »Seine Eminenz, der Kardinal, schätzt es, die Gesellschaften der Marquise de Rambouillet zu besuchen.«
»Und da nimmt er gleich seine ganze Garde mit?«
»Nur seine besten Leute. Vor allem heute. Zur Sicherheit, wegen des Attentats heute Morgen.«
»Hat man den Schützen eigentlich geschnappt?«
»Nein, er ist spurlos verschwunden. Seine Eminenz ist immer noch fuchsteufelswild deswegen.«
Anschließend wollte Jacques alles Mögliche über mich wissen – unter anderem, woher ich stammte und mit wem ich hier war und ob ich einen Freund hatte. Ich beantwortete alles, so gut es ging, und versuchte dann, ihn nach Sebastiano auszufragen, aber dazu kam ich nicht mehr.
Die Marquise kehrte zurück, gefolgt von zwei Dienern, die schwitzend ein Clavichord hereinschleppten, eine Art vorsintflutliches Klavier mit offen liegenden Saiten, das ich bisher nur von Youtube kannte. Auch das noch. Ich würde mich unsterblich blamieren. Doch es half nichts. Die Marquise ließ einen Schemel vor das Instrument stellen und nötigte mich, darauf Platz zu nehmen. Aufmunternd klatschte sie in die Hände, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. »Meine Damen und Herren! Heute haben wir einen neuen Gast – eine junge deutsche Emigrantin namens Anna. Sie möchte uns ein wenig mit ihrem Spiel erfreuen.«
Hilfesuchend blickte ich mich um, doch niemand hatte Mitleid mit mir. Im Gegenteil, alle sahen aus, als wären sie ganz Ohr, was mich erst recht nervös machte. Cécile prostete mir mit einem vollen Weinglas zu, sie war sichtlich stolz auf mich. Fieberhaft überlegte ich, wie ich aus dieser Nummer wieder herauskam, aber mir fiel nichts ein. Wenigstens war Sebastiano nicht unter den
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