Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
Ungläubigkeit. Er selbst hatte sich bisher nicht an unsere gemeinsame Zeit erinnert, aber sein Körper schon. Aufgewühlt erwiderte ich seinen Blick, dann nahm ich widerstrebend zur Kenntnis, dass dieses Date jetzt wohl zu Ende war: Die Kutsche stand vor dem Palais Chevreuse. Oben im offenen Fenster des Salons war eine hell gekleidete Gestalt zu sehen – Marie, die zu uns herabschaute und winkte. »Da bist du ja wieder, Anna!«, rief sie mit gedämpfter Stimme – und unverkennbar erleichtert.
    »Das klingt, als hätte sie um dein Leben gebangt«, brummte Sebastiano.
    »Sie hält dich für einen Herzensbrecher und traut dir nicht.«
    Das war eine unbedachte Antwort, wie ich bei seiner nächsten Bemerkung erkannte.
    »Ist das so?«, meinte er mit gedehnter Stimme. »Warum hat sie dir dann überhaupt erlaubt, mit mir auszugehen?«
    »Oh, das …« Ich stockte, denn ich konnte ihm ja schlecht verraten, dass Marie auf Informationen über Richelieu hoffte. »Das hängt damit zusammen, dass ich ein freier Mensch bin und meine eigenen Entscheidungen treffe.«
    »Gut zu wissen.« Seine Miene war nun wieder ausdruckslos, als hätte es den Kuss nicht gegeben. Jähe Besorgnis erfasste mich. Jetzt durfte er keinen Rückzieher mehr machen. Wir mussten zusammen auf die Brücke!
    Doch bevor sich meine Unruhe zu einer Panik auswachsen konnte, fasste er nach meiner Hand, hob sie an seine Lippen und küsste sie. Ein Schauer durchlief mich, als sein Mund meinen Handrücken berührte und dort ein wenig länger als nötig verweilte.
    »Gute Nacht, schöne Anna. Ich hole dich morgen Abend zu unserem Mondscheinspaziergang ab.«
    »J… ja«, stotterte ich, von dem Handkuss völlig aus dem Konzept gebracht. »Ich meine … äh, wann?«
    »Nun, ich dachte, das sei klar. Natürlich bei Mondaufgang.«

TEIL DREI

Tag vier
    M
ein Schlaf in dieser Nacht war unruhig und von Albträumen durchsetzt. Wieder träumte ich, durch dunkle, von geisterhaften Nebelschwaden erfüllte Gassen zu laufen, verfolgt von einer bedrohlichen Gestalt. Ich rannte und rannte und konnte den Schatten, der hinter mir her war, trotzdem nicht abschütteln. Nur noch wenige Schritte trennten den Verfolger von mir, gleich würde er mich schnappen! Mit einem Keuchen fuhr ich hoch, rieb mir den juckenden Nacken und sah mich panisch um. Auf der kleinen Konsole an der Wand brannte ein Nachtlicht. Das Zimmer wirkte fremdartig in seiner Eleganz. Die teuren Lackmöbel im fernöstlichen Stil verliehen dem Raum einen Ausdruck von unberührbarer Schönheit. In der Dachkammer hatte es mir besser gefallen. Doch da dies die letzte Nacht war, die ich hier verbringen würde, spielte es keine Rolle.
    Mein Nacken juckte immer noch, das war kein gutes Zeichen. Zögernd schlug ich die Bettdecke zurück und stand auf. Mit klopfendem Herzen ging ich zuerst zum Fenster und rüttelte vorsichtig an den Läden. Sie waren fest verschlossen. Meine nackten Füße verursachten kein Geräusch auf dem spiegelblank gebohnerten Parkett, als ich zur Tür weiterging und sie öffnete – im Zeitlupentempo, weil mein Herz auf einmal wie rasend schlug und das Jucken nicht weggehen wollte. Da draußen war etwas. Oder jemand. Was auch immer, mir drohte Gefahr. Ich zuckte zusammen, weil ich aus den Tiefen des dunklen Gangs ein Geräusch zu hören glaubte. Langsam schob ich den Kopf durch den Türspalt und lauschte nach allen Seiten. Aber da war nichts. Das Geräusch – falls es überhaupt eines gewesen war – wiederholte sich nicht. Ich machte die Tür wieder zu und legte vorsichtshalber den Riegel vor. Man konnte ja nie wissen. In Maries Haushalt lebten Dutzende von Menschen. Das Gesinde bestand aus einer unübersichtlichen Vielzahl von Dienern, Hausmädchen, Zofen, Küchenmägden und Knechten fürs Grobe. Falls einer darunter war, der Böses im Schilde führte, konnte es gut sein, dass ich erst dahinterkam, wenn es zu spät war. Das Jucken war, was das betraf, eine eher unzuverlässige Angelegenheit. Bei latenten Bedrohungen meldete es sich manchmal, aber nicht immer, und bei unmittelbaren Gefahren setzte es oft erst so spät ein, dass kaum noch Zeit für Vorsichtsmaßnahmen blieb.
    Immerhin hatte es mittlerweile aufgehört. Vielleicht war es wirklich nur die Nachwirkung des Verfolgungstraums gewesen. Trotzdem konnte ich anschließend lange nicht wieder einschlafen.

    Am nächsten Morgen wurde ich entsprechend spät wach, die kleine vergoldete Barock-Uhr auf dem Kaminsims meines Zimmers zeigte schon fast zehn.

Weitere Kostenlose Bücher