Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
helfen«, sagte ich. »Bartolomeo wurde ins Gefängnis gesperrt und muss da herausgeholt werden.« Eilig fügte ich hinzu: »Man hat ihn völlig grundlos verhaftet! Er hat nichts getan. Es war ein Versehen.«
Monna Matilda schnaubte. »Ein Versehen! Das glaube, wer will, aber ich nicht! Dieser Taugenichts! Ich wusste immer, dass es eines Tages ein böses Ende mit ihm nimmt!«
»Schweig«, sagte Jacopo. Dann fragte er mich. »Wo wurde er verhaftet?«
»In …« Ich bekam es nicht heraus, und diesmal war die Sperre daran schuld. Aha. Eine verbotene Information. Vermutlich, weil sich in der Kirche Santo Stefano ein Zeitreiseportal befand.
Ich übertönte mein Stocken mit einem Räuspern und meinte dann hastig: »Hauptsache, er kommt schnell wieder frei. Eventuell kann er helfen, Clarissa wiederzufinden.« Das war mein voller Ernst, denn in dieser Situation war jede noch so kleine Chance wichtig. Außer Bart kannte ich hier niemanden, der über diese ganze vertrackte Geschichte Bescheid wusste. Folglich war er auch der Einzige, der vielleicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie man Clarissa retten konnte. Vorausgesetzt, sie lebte noch … Bei dem Gedanken, das könne eventuell nicht der Fall sein, fröstelte ich.
»Clarissa sagte, Ihr hättet gute Beziehungen zu wichtigen Amtsträgern«, sagte ich. »Sie wollte Euch bitten, dass Ihr Euch für Bartolomeos Freilassung einsetzt.«
»Wenn es Euer beider Wunsch ist, den jungen Mann in Freiheit zu sehen, werde ich alles tun, was in meiner Macht steht.« Jacopo griff in seine Gürteltasche und holte eine seiner kleinen geschnitzten Heiligenfiguren heraus, die er mir reichte. »Hier, das wird dir Glück bringen. Du musst es nur immer am Körper tragen.«
Gerührt betrachtete ich das Geschenk. Wenn mich nicht alles täuschte, war es der heilige Sebastiano. Dass er zufällig ein Namensvetter des Mannes war, auf dessen Rückkehr ich sehnsüchtig wartete, betrachtete ich als gutes Omen. Außerdem half der heilige Sebastiano gegen die Pest, von daher konnte es nicht schaden, ihn dabeizuhaben.
Dankbar steckte ich die kleine Schnitzerei in meinen Beutel und erwiderte Jacopos freundliches Lächeln. Mochte Monna Matilda sich auch manchmal wie der Feldwebel vom Dienst aufführen – ihr Mann war die Güte in Person. Mit einem Mal verstand ich auch, was Clarissa dazu bewogen hatte, bei den beiden einzuziehen. Sie hätte es wirklich schlechter treffen können mit ihrem Zwangsaufenthalt zweihundert Jahre vor ihrer Zeit.
»Du kannst uns jederzeit Nachricht zukommen lassen, wenn du Hilfe brauchst«, sagte Jacopo. »Zögere nicht, dich an uns zu wenden, wenn du in Not bist!«
Ich bedankte mich und ging dann zu der Stelle hinüber, wo Gino auf mich wartete. Dort winkte ich Monna Matilda und dem alten Jacopo noch einmal zu, bevor ich mich gemeinsam mit dem Jungen zu meinem nächsten Ziel aufmachte.
Gino erwies sich als echter Glücksgriff. Er wusste sofort, wo der Palazzo Tassini zu finden war. Genauer gesagt, der künftige Palazzo Tassini, denn er war noch weit davon entfernt, fertig zu sein, weil er gerade erst gebaut wurde. Ich wusste bloß, dass die Baustelle in der Nähe der Rialtobrücke war, und hätte vermutlich erst danach suchen müssen. Hausnummern gab es in diesem Jahrhundert nämlich keine. Um einen Standort näher zu kennzeichnen, benutzte man solche Beschreibungen wie gegenüber von der Kirche des Heiligen Sowieso oder am Ende der Gasse der Schuhmacher , wobei es sich empfahl, bei der Gasse des Schuhmachers noch die nächstgelegene Kirche hinzuzufügen, weil es jede Menge Schuhmachergassen gab.
Gino kannte sich jedoch bestens aus, er hatte nicht übertrieben.
»Die Baustelle des neuen Palazzo Tassini habe ich mir letztens erst angeschaut«, sagte er. »Ich sehe den Arbeitern gern zu, denn es ist aufregend, wenn neue Häuser im Wasser gebaut werden.«
Ich erinnerte mich, dass Matteo sich ähnlich geäußert hatte. Plötzlich interessierte es mich auch. Wie schafften die Leute es in dieser Zeit, Häuser mitten ins Wasser zu setzen, und dann auch noch welche, die fünfhundert Jahre später immer noch standen wie eine Eins? Ich war gespannt darauf, es zu erfahren.
Gino führte mich durch das Gassengewirr von San Polo zum Rialto. Auf den Plätzen und Brücken herrschte das übliche Gewimmel, überall waren Leute unterwegs. Mittlerweile kam es mir ganz normal vor, all die altertümlich angezogenen Menschen bei ihren täglichen Verrichtungen zu sehen. Der Eindruck von
Weitere Kostenlose Bücher