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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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meinem Nacken war zu einem Brennen geworden. Alvise stand vor mir und starrte mir ins Gesicht. »Kleine Anna«, sagte er mit seidenweicher Stimme. »Was denkst du dir dabei, mir in die Quere zu kommen?«
    »Äh … nichts«, stammelte ich.
    »Die meisten Frauen können nicht denken«, pflichtete er mir bei. »Sie sind dazu einfach nicht fähig. Aber wenn sie mir durch ihren fehlenden Verstand schaden, gefällt mir das nicht.«
    Ich versuchte, zur Seite zu springen und gleichzeitig um ihn herumzurennen, doch er streckte nur lässig die Hand aus und fasste mir ins Haar. Grob umklammerte er eine Faustvoll von meinen Locken und hielt mich auf diese Weise fest. Es tat so weh, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.
    Er zerrte mich dicht zu sich heran, so nah, dass ich seinen Körper an meinem spüren konnte. Ich roch, dass er Wein getrunken hatte und dass er zum Waschen eine teure Seife benutzt hatte. Auch seine Kleidung roch frisch, eine Seltenheit in dieser Zeit ohne Dusche und warmes Wasser, in der duftende Sauberkeit für die meisten Menschen ein unerreichbarer Luxus war. Doch alle äußerliche Reinlichkeit half Alvise nicht, seine rabenschwarze Seele zu verbergen.
    Plötzlich ließ er mein Haar los und packte blitzartig mit beiden Händen meinen Hals. Seine Daumen pressten sich gegen meinen Kehlkopf, seine Finger gruben sich hart in meinen Nacken.
    Ich verlor wertvolle Sekunden, bis ich die ungeheuerliche Tatsache begriffen hatte, dass er mich tatsächlich umbringen wollte. Als mir das klar war, wurde mir bereits schwarz vor Augen. In dem Selbstverteidigungskurs unserer Schule war uns nicht beigebracht worden, dass man so schnell in Ohnmacht fiel, wenn man gewürgt wurde. Und dass es so wehtat. Dafür war uns in immer wiederkehrenden Abläufen antrainiert worden, wie man sich schnell und effektiv aus einem Würgegriff befreite. Zum Glück musste ich gar nicht groß über die erlernte Technik nachdenken. Trotz meiner rapide zunehmenden Benommenheit schien mein Körper von allein zu wissen, was zu tun war.
    Mit verzweifelter Anstrengung zwängte ich meine Arme zwischen unseren Körpern nach oben und hieb sie mit Schwung auf Alvises Unterarme, worauf sein Griff sich lockerte. Indem ich ruckartig meine Ellbogen zurück nach unten zog, zwang ich seine Hände endgültig von meinem Hals weg. Ein keuchender Atemzug, und ich bekam wieder Luft. Dann der Tritt gegen das Knie, hundertfach geübt. Die Beine knickten unter ihm weg, er ließ einen wütenden Fluch hören. Zum Abschluss der Aktion hätte ich ihm meine Fäuste wie einen Hammer ins Gesicht donnern müssen, um ihn endgültig auf die Bretter zu schicken. Doch irgendwie klappte es nicht, es wurde eher ein halbherziges Schubsen daraus. Jedenfalls reichte es nicht, um ihn außer Gefecht zu setzen. Ich hatte schmählich versagt, genau auf die Art, vor der unsere Sportlehrerin uns gewarnt hatte.
    Ich hatte ihre Worte noch im Ohr: »Die meisten Mädchen und Frauen haben Skrupel, mit voller Kraft zuzuschlagen. Sogar dann, wenn ihr Leben davon abhängt, dass sie ihren Angreifer ausschalten. Sie haben zu viel Angst, ihm wehzutun. Außerdem sind sie dazu erzogen, Konflikte niemals mit Gewalt zu lösen. Und ehe sie sichs versehen, sind sie selbst tot. Besser also, ihr überwindet eure anerzogene Rücksichtnahme und haut richtig brutal zu!«
    Da stand ich nun und brachte es nicht fertig, brutal zuzuhauen. Noch während diese Erkenntnis in mein Gehirn einsickerte, rappelte Alvise sich wieder hoch. Sein Gesicht verzog sich zu einer Fratze der Rachsucht, während er sein Kurzschwert zog.
    »Was ist los?«, fragte Giovanni vom Gang her.
    »Ich bin gleich fertig mit der Schlampe«, sagte Alvise.
    Ich versuchte, mich daran zu erinnern, was wir für den Fall eines Angriffs mit einem Schwert gelernt hatten oder ob hier die Regeln für einen Angriff mit dem Messer anzuwenden waren, doch in meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Es war vorbei, mein Tod nur noch eine Frage von Augenblicken.
    »Sag der Welt Auf Wiedersehen «, höhnte Alvise.
    Er holte mit dem Schwert aus und ich schloss die Augen, denn ich wollte nicht, dass sein Gesicht das Letzte war, was ich in meinem Leben sah.

TEIL DREI

Venedig, 1499
    H ier muss es sein«, hörte ich eine Frauenstimme vom Kanal her. »Seht nur, das Wassertor ist offen, und drinnen sind Leute, die können wir fragen.«
    Der tödliche Schwertstoß blieb aus. Ich riss die Augen wieder auf und sah, wie Alvise irritiert die Waffe sinken ließ.
    Die

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