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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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passiert ist, und er behält diese Information in seinem Kopf, bis er wieder einschläft – er schläft dann vielleicht nur ein paar Minuten, wahrscheinlich aber ein paar Stunden –, und wenn er aufwacht, kann er der M ASCHINE von ein paar Tagen davor berichten. Warum aber vergißt er es dann sofort danach? Kommt es daher, daß M ASCHINE ihm das befiehlt? Und warum sollte M ASCHINE das tun? Die Antwort ist einfach, und widerwillig wird er sich darüber klar: um damit sicherzustellen, daß er nur das weiß, was ihr paßt.
    Er ist weiter nichts als eine Nachrichtenverbindung zwischen M ASCHINE Gegenwart und M ASCHINE Zukunft. Ein Botenjunge. M ASCHINE weiß alles: Denn in der Zukunft sagt sie es der M ASCHINE Gegenwart, vermittelt über den Ersten. Sie weiß, was über und unter der Oberfläche vor sich geht. Sie weiß genau, wie weit der Geist des Ersten sich bei jeder Gelegenheit bewegt, wie weit er in die Zukunft reist. Sie besitzt einen Stundenplan seiner geistigen Existenz. Außerdem manipuliert sie sein Gedächtnis. Versucht M ASCHINE jetzt noch etwas anderes? Will sie ihn dadurch in Verwirrung stürzen, daß sie behauptet, sie hätte ihm von bestimmten Angelegenheiten berichtet, obwohl das nicht stimmt?
    Er nimmt an, daß M ASCHINE sein Wissen um zukünftige Ereignisse aus seinem Gedächtnis entfernt, um seine geistige Gesundheit zu erhalten, und ihm nur die grundlegenden, wesentlichen Informationen läßt, damit er seine Pflicht als erster Wächter tun kann. Aber gibt es überhaupt grundlegende, wesentliche Informationen’? M ASCHINE kommt ausgezeichnet ohne ihn aus; sie braucht den Ersten nicht, um Befehle zu erteilen. Vielleicht ist daher alles, was sie ihm sagt, gelogen: M ASCHINE erfindet Bilder sowie Berichte von Beobachtern und Wächtern, denkt sich Geschichten aus, was in der Zukunft geschieht, und sieht dann zu, daß sie Wirklichkeit werden.
    Aber das alles führt für ihn zu nichts. Er muß von der Voraussetzung ausgehen, daß es ein grundsätzliches Minimum von Wahrheit gibt – daß die Informationen, die er von M ASCHINE erhält, richtig sind. Was aber ist dann mit den Details, die sie aus seiner Erinnerung streicht? Warum tut sie das? Vielleicht, weil diese Informationen überflüssig sind? Nein: Denn M ASCHINE Zukunft würde das wissen und es ihm von Anfang an nicht sagen. Aus dem selben Grund können die Informationen nicht falsch sein. Es sei denn, es ist richtig, wenn er es zu M ASCHINE Gegenwart bringt, und später wird es dann falsch – weil es verändert worden ist.
    Es wird ihm klar, daß das die Wahrheit sein muß: M ASCHINE ist in der Lage, die Ereignisse zu verändern und damit auch die Zukunft, weil sie über Wissen darüber verfügt, was geschehen wird.
    Wenn sein Geist sich in der Zeit bewegt, so reist er nicht in die Zukunft, sondern nur in eine mögliche Zukunft – die M ASCHINE nach ihrem Willen ändern kann, wenn sie sie nicht für günstig hält.
    Was verändert M ASCHINE ? Welche Ereignisse hält sie für günstig oder ungünstig und schließt sie damit von der ‚wirklichen’ Zukunft aus? Sind das Dinge, die die Wächter und Beobachter betreffen, die Menschen unter der Erde? Oder hat das mit Ereignissen an der Oberfläche zu tun? Vielleicht beides… oder keines von beiden. Und vielleicht – Erster merkt, daß er den negativen Gedanken noch immer nicht verbannen kann, der ihn in ein geistiges Chaos zu stürzen droht – gibt es so etwas wie Beobachter und Wächter, unter oder über der Oberfläche, überhaupt nicht? Sicher kann er sich nur seiner selbst und M ASCHINE sein – und darauf kann er sich nicht verlassen.
     
     
    „Wie heißt sie?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Nein?“
    „Es dürfte für sie nicht allzu schwer sein, das herauszufinden. Sie haben den Namen des Ortes, in dem sie gewohnt hat. Zeigen Sie mir nur, wie sie aussieht, und dann sage ich Ihnen, wo sie jetzt ist.“
    „Ist das alles, was Sie wollen?“
    „Das ist alles, was Erster will.“
    „In ein paar Minuten sage ich Ihnen Bescheid.“
    „In Ordnung.“ Ich schaltete den Schirm ab.
    Die paar Minuten verstrichen, und als sich meine Schicht ihrem Ende näherte, hatte ich von dem Mann im Archiv noch immer kein Wort gehört. Ich brachte die Zeit damit herum, daß ich die Dienstpläne der nächsten vierundzwanzig Stunden umstellte; damit schaffte ich mir reichlich Zeit, zur Oberfläche hinaufzugehen und sie zurückzubringen. Ganz sicher würde sie genau lokalisiert werden, und das Problem, sie

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