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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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sagte er, „ist mit ihr passiert?“
    Der zweite Lothringer seufzte laut; er wußte, daß er von seinem Freund keine Antwort bekommen würde. „Meiner Ansicht nach bist du deshalb ins Verlies geworfen worden. Napoleon wollte sie für sich haben.“
    „Dieser rotznäsige Pisser?“
    „Nicht so laut. Aber du hast vollkommen recht. Ihre Gefühle entsprachen offensichtlich denen Napoleons. Seit er sie in sein Schlafzimmer geholt hat, ist sie nicht mehr gesehen worden, und jetzt ist er äußerst wütend, weil sie verschwunden ist.“ Raul stieß Marcel am Ellenbogen an und goß dabei einen Teil seines Bieres über sein Hemd. Keiner der beiden schien das zu bemerken. „Kein Wunder, was?“
    Perier zuckte die Achseln. „So etwas Besonderes ist sie nun auch wieder nicht.“
    „Nein?“
    „Nein.“
    „Dann bist du wahrscheinlich der einzige, der so denkt. In der Stadt ist jemand, der nach ihr gefragt hat, und er ist kein Lothringer.“
    Perier setzte seinen Krug ab und sah den anderen Hauptmann an. „Hat er nach ihr gesucht?“
    Raul nickte.
    „Wie sieht er denn aus?“ Vielleicht konnte er ihn nach dem Mädchen fragen. Vieles war ihm ein Rätsel. Warum fehlte in seinem Gedächtnis so viel? Wie kam es, daß er bei der Schlacht nicht mitgekämpft hatte?
    „Jung, und er kommt aus dem Saarland. Sie muß ihm eine Menge bedeuten, wenn er das Risiko auf sich nimmt und hierherkommt.“
    „Ja.“ Raul trank seinen Krug leer. „Vielleicht hat er ja auch einen anderen Grund dafür, daß er hierhergekommen ist, aber welcher das sein könnte, das kann ich mir nicht vorstellen.“
    „Ich schon“, sagte Perier.
    „Welcher denn?“
    Der andere Mann sagte jedoch nichts mehr. Er überlegte sich, warum jemand den ganzen Weg vom Saarland hierher auf sich nehmen sollte, nachdem die gesamte Saararmee und die der Lothringer vernichtet worden war. Oder beinahe zumindest. Auf ihrer Seite gab es einen Überlebenden: ihn selbst. Perier war davon überzeugt, daß der Fremde nach Verdun gekommen war, um diesen Fehler auszubügeln.
     
     
    Nachdem meine Schicht zu Ende war, ging ich zum Archiv. Ich war bisher noch nie dort gewesen und mußte deshalb meinen Weg dorthin genau studieren, damit ich zwischen den Transporterhaltestellen so wenig wie möglich zu laufen hatte. Es waren insgesamt dreißig Kilometer; ich brauchte fast eine Stunde, bis ich da war, und ich brauchte nicht oft zu Fuß gehen, weil der größte Teil der direkten Verbindungen noch intakt war.
    Der Mann hieß Raymond. Raymond Was oder Was Raymond, das habe ich nie erfahren. Ich hatte schon vorher mit ihm gesprochen, aber nur über einen Bildschirm. Man traf kaum jemanden persönlich: nur die, mit denen man zusammen arbeitete… oder lebte. Es war einfacher so. Niemand machte Besuche, und niemand hatte das Bedürfnis dazu. Die Tatsache, daß Raymond mich persönlich zu sich gebeten hatte, deutete darauf hin, daß es sich um eine ungewöhnliche Situation handelte. Ich war daher mehr als leicht beunruhigt und hatte Angst davor, ihn von Angesicht zu Angesicht zu treffen.
    Die Entfernungen unter der Erde waren enorm, und die Leute dort lebten und arbeiteten weit voneinander entfernt. Ich nehme an, es war ursprünglich vorgesehen, daß die Beobachter direkt unter der Gemeinde wohnen sollten, die sie beobachteten. Das war inzwischen nicht mehr so, aber man hätte alles besser zentralisieren können. Wir hätten uns dann öfter getroffen, hätten das Gefühl, daß wir nicht unsere Zeit verschwendeten, und außerdem hätte man die Deserteure besser unter Kontrolle gebracht. Die Entwicklung hatte schon eingesetzt, bevor Erster an die Macht gekommen war, aber er hatte sie vorangetrieben. Ich war sicher, daß er dafür seine Gründe hatte, und halb und halb glaubte ich an das, was wir angeblich machten. Außerdem rechnete ich mir aus, daß es weitaus klüger war, sich auf die Seite des Ersten statt gegen ihn zu stellen – besonders wenn ich daran dachte, wie es ihm immer wieder gelang, jeden, der sich gegen ihn stellte, unschädlich zu machen. Wie das letzte Mal. Ich hatte damals beinahe alles verdorben und ihnen damit die Möglichkeit gegeben zu entkommen, und das war auch der Grund, warum ich unten beschäftigt war. Trotzdem hatte Erster keinen überraschten Eindruck gemacht, als ich ihm meinen Irrtum meldete, und er hatte schon ein paar weitere Männer losgeschickt, um die Saboteure unschädlich zu machen. Es war ihnen allerdings schon gelungen, einige hundert Schirme für immer

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