Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
Vom Netzwerk:
nicht darauf hoffen, sich zu verstecken.
    Das war so ein Anlaß, an dem jemand alle Gebete heruntergeleiert hätte, die er wußte. Er hätte Gott in der Art angefleht, wie es die Priester für eine bescheidene Gebühr vormachten, und ihn um Gnade und Vergebung gebeten. Bisher hatte das für den Ritter noch nie etwas genützt – aber es war bisher auch noch nie so wichtig gewesen. Er fing im stillen damit an. Er war jedoch nicht mit seiner ganzen Aufmerksamkeit bei der Sache, und so bemerkte er, daß der Zauberer zurücksah. Seine Lippen bewegten sich. Betete auch er?
    Er sah gerade nicht hin, als der Drache dieses Mal erschien. Er hörte, wie Duval etwas brüllte und drehte seinen Kopf herum. Dort stand er und versperrte ihren Verfolgern den Weg. Er sah ganz genauso aus wie der, der ihm vor anderthalb Tagen schon den gleichen Dienst erwiesen hatte. Wahrscheinlich war es sogar derselbe.
    Die beiden Zauberer starrten zu ihm nach hinten, und so gelang es Guy, sie einzuholen. Sie machten beide einen verblüfften Eindruck, und der Zauberer mit der Pistole lachte abrupt und sagte etwas, was er nicht verstand. Es sah so aus, als hätten sie nicht erwartet, daß dies passieren würde – was eigentlich seltsam war, wenn man bedachte, daß er einen Zauberspruch ausgesprochen haben mußte, mit dem der Drache heraufbeschworen worden war.
    Es schien so, als ob sie entkommen wären; zwei Stunden verstrichen, ohne daß sich ein Verfolger gezeigt hätte. Sie waren aus Flandern heraus, sie hatten es geschafft. Sir Guy zog die Pistole heraus und machte sich daran, mit ihr zu zielen. Der Kopf des Zauberers fuhr herum, und er sah nach hinten – aber nicht auf den Saarländer, sondern an ihm vorbei. Auch Guy drehte sich herum.
    „Verdammt“, sagte der Zauberer leise, grub die Fersen in die Seite seines Pferds, hob sich etwas an das Kinn und fing wieder an zu beten.
    Diesmal aber klappte es nicht. Nicht gleich. Überhaupt nicht.
    Nach ein paar Minuten fiel der Zauberer zurück und begann, Blitze aus seiner Pistole zu schleudern. Die Verfolger waren zu weit weg und wurden daher nicht verletzt, aber sie hielten sich zurück. Ein oder zwei Blitze zuckten auf die vier zu, verloren aber ihre Kraft harmlos auf der Straße hinter ihnen.
    „Nehmt seine Zügel!“ rief der Zauberer von Angel zu. Er meinte damit Duval, dessen Tempo nachließ. Der Ritter führte die Anweisung aus. Die Frau ritt, im Sattel zusammengekauert, vor ihnen her.
    Wo war denn dieser Drache? War es den Reitern auf irgendeine Art und Weise gelungen, ihn zu erschlagen, und waren sie ihnen deshalb wieder auf den Fersen?
    Weiter ging der Ritt.
    Bis der Zauberer in der Hoffnung auf Zuhörer und Beifall rief: „Ich habe einen erwischt!“ Außerdem war das eine Warnung, daß auch die Pistolen der flämischen Zauberer sie nun erreichen und bis auf die Knochen verbrennen konnten.
    Da Guys Aufmerksamkeit abgelenkt war, trat Duval ihm gegen den Arm und zwang ihn dazu, die Zügel fallen zu lassen. Der Baron raffte die schleifenden Zügel auf, lenkte den Kopf seines Pferds nach der Seite, drehte es herum und galoppierte im rechten Winkel zu ihnen davon. Der Ritter zog seine Pistole heraus, aber seine nervösen Finger ließen sie fallen. Der Zauberer war zu beschäftigt, um einen Blitzstrahl auf Duval zu schleudern, und so mußte es ein Zufallstreffer der Verfolger gewesen sein, der unter dem Pferd des Barons explodierte und seine brennende Gestalt vom Pferd schleuderte.
    Eine Minute später hatte der Zauberer wieder die Führung übernommen, aber von der Straße weg auf eine Baumgruppe zu, die auf einer niedrigen Kuppe stand. Gras und Büsche brannten hinter ihnen. Die Bäume kamen näher und näher, aber nur langsam, so unendlich langsam. Eine Explosion links von Guy, nur einen Schritt entfernt, eine zweite in seinem Kopf, ein greller Lichtblitz in seinem Schädel. Geruch von verbranntem Fleisch. Gilbert. Zwei Pferde mit Reitern rasten den Hügel hoch. Noch mehr kamen auf ihn zu. Er lag auf dem Boden und versuchte aufzustehen. Feuer und Licht. Dann Finsternis.
     
     
    Die Frau kommt, und in seinem Notizbuch stehen keine Eintragungen mehr, obwohl er keine bewußte Entscheidung trifft, damit aufzuhören.
    M ASCHINE hat ihm das Datum gegeben, dreizehnter Juni, und seinem Buch entnimmt er, daß das der Tag ist, an dem sie ankommen soll. Er hat jedoch seine Zweifel, eine ganze Menge sogar. Er weiß sicher, daß M ASCHINE ihn schon früher angelogen hat, also warum nicht auch diesmal?

Weitere Kostenlose Bücher