Zeitfinsternis
„Ja.“
Erster: „Wie kommt sie hier herein? Es ist keine Tür da.“
M ASCHINE : „E S gibt einen Weg herein und heraus.“
Erster: „Warum weiß ich davon nichts?“
M ASCHINE : „D U hast nie danach gefragt.“
Er wußte, daß Napoleon ihn kaum beachten würde – zunächst einmal. Er hatte bereits damit begonnen, seinen Teil des Plans in die Tat umzusetzen. Vielleicht hatte er zuwenig gesagt, vielleicht zuviel. Auf jeden Fall wäre er nicht hier, wenn Bellinis Machtübernahme an Attilas Hof nicht ohne Widerstand über die Bühne gegangen wäre. Seine eigene Position war etwas sicherer, da die Beobachter des lothringischen Palasts und seiner direkten Umgebung alle auf das gleiche Ziel wie er hinarbeiteten. Erster mußte von dem Tod von Lawrence erfahren, weil es verdächtig gewesen wäre, wenn er entdeckt hätte, daß der Wächter umgebracht worden war, ohne daß die Beobachter ihn darüber informiert hatten.
Es gab keinen Beweis dafür, daß die Androiden, die vor vier Tagen die beiden Armeen vernichtet hatten, aus Flandern stammten, aber es gab keine andere Möglichkeit. Vielleicht war Erster dafür verantwortlich; er hatte sich aber möglicherweise mit den Renegaten verbündet, die in Flandern die Macht übernommen und den Machtbereich um das Zehnfache vergrößert hatten. Tatsache war, daß er sie duldete, und das war schlimm genug. Resnais wußte, daß die nächsten Tage entscheidend waren. Wenn er diese Zeitspanne überleben konnte, dann hatte er eine Chance. Und wenn ihnen allen das gelang, dann hatte auch die Welt eine Chance.
Ich bekam den Ruf direkt vom Ersten. Jeder Befehl kam ,direkt’ vom Ersten: mit der gleichen ausdruckslosen Stimme aus einem leeren Schirm. Ich bekam ihn nie zu sehen, genauso wenig wie irgend jemand anders. Irgendwann lief einmal ein Gerücht um, daß es den Ersten als Person gar nicht gab. Er bestand aus einer ganzen Menge von Leuten – das war eine Version; eine von vielen. Er war keiner von uns, was angeblich die Widersprüche in den Befehlen erklären sollte, die vom Ersten kamen. Ich selbst hielt nicht viel von der Geschichte; vielleicht hatten sie sie in Umlauf gesetzt – oder einer von ihnen –, um Stimmung gegen ihn zu machen. Was die Ungerechtigkeiten und Widersprüche betraf, so bin ich immer davon ausgegangen, daß es dem Ersten klar war, wie wenige von uns es gab. Er schonte seine Kräfte und wartete darauf, daß sie sich zu weit vorwagten. Vielleicht wagte ich nicht, etwas anderes zu denken, weil ich die Möglichkeit fürchtete, es könne sich als wahr erweisen.
Meine Schicht war zur Hälfte herum. Ich mußte dreißig Schirme beobachten, die alle Dörfer zeigten, die in Württemberg lagen. Passieren würde nichts. Es passierte nie etwas. Und ich war, um die Wahrheit zu sagen, oft sehr unsicher darüber, was wir überhaupt beobachten sollten. Es mußte doch eine bessere Methode geben – ein Dutzend besserer Methoden.
Es gab dreißig Schirme, und da waren die internen noch nicht einmal mitgerechnet – mit denen konnte man, theoretisch zumindest, mit allen im System Verbindung aufnehmen. Ein weiteres Gerücht besagte, daß jeder einzelne von diesen Schirmen ein Bild an den Ersten übertrug, ganz gleich, ob er ab- oder angeschaltet war. Er beobachtete uns so, wie wir die Leute an der Oberfläche beobachteten. Unmöglich war es nicht, aber ich glaubte es nicht so recht. Wie auch immer, ich hatte nichts zu verbergen – und sicher auch keiner von denen, die noch übrig waren; alle anderen wären sonst schon lange weg gewesen. Wie aber war es dem Ersten möglich, uns alle und so viele Schirme im Auge zu behalten? Ganz einfach: Es war ihm nicht möglich. Vielleicht
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