Zeitfinsternis
etwas wie Beobachter und Wächter, unter oder über der Oberfläche, überhaupt nicht? Sicher kann er sich nur seiner selbst und M ASCHINE sein – und darauf kann er sich nicht verlassen.
„Wie heißt sie?“
„Ich weiß es nicht.“
„Nein?“
„Es dürfte für sie nicht allzu schwer sein, das herauszufinden. Sie haben den Namen des Ortes, in dem sie gewohnt hat. Zeigen Sie mir nur, wie sie aussieht, und dann sage ich Ihnen, wo sie jetzt ist.“
„Ist das alles, was Sie wollen?“
„Das ist alles, was Erster will.“
„In ein paar Minuten sage ich Ihnen Bescheid.“
„In Ordnung.“ Ich schaltete den Schirm ab.
Die paar Minuten verstrichen, und als sich meine Schicht ihrem Ende näherte, hatte ich von dem Mann im Archiv noch immer kein Wort gehört. Ich brachte die Zeit damit herum, daß ich die Dienstpläne der nächsten vierundzwanzig Stunden umstellte; damit schaffte ich mir reichlich Zeit, zur Oberfläche hinaufzugehen und sie zurückzubringen. Ganz sicher würde sie genau lokalisiert werden, und das Problem, sie zu suchen, würde sich gar nicht erst ergeben. Und wenn ich nur ein bißchen Glück hatte, dann würde es für mich keine Schichten mehr geben, dann würde ich ganz oben arbeiten.
Oder vielleicht auch nicht? Der Auftrag sah so einfach aus. Jeder hätte ihn ausführen können. Natürlich nicht jeder Beobachter, weil sie an die Oberfläche nicht gewöhnt waren. Warum aber ich? War es wirklich möglich, daß ich noch eine Chance bekam? Was es auch immer war, schon bald würde ich es herausfinden.
Ich ließ mich noch mal mit dem Archiv verbinden und sagte: „Und?“
Der Mann gab keine Antwort. Er starrte mich nur an, als hätte er mich noch nie gesehen, und ich wußte, daß es das nicht sein konnte.
„Wer?“ fragte ich. „Wer ist sie? Wo ist sie?“
„Ich weiß es nicht“, sagte er. „Ich habe über sie keine Akte.“
Jetzt war ich an der Reihe, nichts zu sagen.
„Sie sollten vielleicht herkommen und erklären, was Sie wissen. Ich verstehe das nicht.“
Ich nickte. „Das sollte ich vielleicht tun.“ Und in diesem Augenblick erhoben sich bei mir die ersten Zweifel.
Sir Guy von Angel, Erster Ritter Seiner Königlichen Majestät, Attilas XXI, König des Saarlands, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem gut bewaffneten und stolz gerüsteten jungen Ritter, der vor zwei Tagen mit dem Rest der Kavallerie so aufrecht zum Schlachtfeld geritten war. Seinen Schild hatte er weggeworfen, als er auseinanderfiel. Sein selbstgemachter Kettenpanzer und das bißchen Geld, das Baron Munchbold ihm gelassen hatte, mußten geopfert werden, um am Tag vorher für eine Mahlzeit und einen Schlafplatz zu bezahlen – und schon da hatte er mit Gilbert im Stall schlafen müssen. Am nächsten Morgen mußte er bei einem Hufschmied seinen Helm gegen ein Hufeisen für Gilbert eintauschen, aber das war der Verlust seines Bruders, nicht sein eigener.
Trotzdem aber bekam er bei dem Geschäft noch etwas hinzu.
„Ihr wart doch bei der Schlacht dabei, oder?“ fragte der Hufschmied zwischen wuchtigen Hammerschlägen auf den Amboß.
Guy nickte und fragte sich, worauf der Mann hinauswollte. Er war so weit ohne Schwierigkeiten nach Lothringen vorgestoßen. Niemand hatte Verdacht geschöpft, daß er nicht zu den Männern mit dem roten Drachen gehörte – und wenn doch, dann war es ihnen gleich.
„Ich habe nicht viele zurückkommen sehen“, war der Kommentar des Mannes.
„Aber“, sagte Guy langsam, „ein paar habt Ihr doch gesehen?“
Der Mann zögerte. „Neulich, am Morgen – gestern war das. Nur zwei.“ Er lachte unflätig. „Eine davon war eine Frau. Die hättet Ihr sehen sollen.“
„Hatte sie rotes Haar?“
„Kennt Ihr sie?“
„Ich glaube schon.“
„Sie sind hier durchgeritten, als wäre ein Haufen Dämonen hinter ihnen
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