Zeitfinsternis
Afrika gab, hat es in diesem Afrika auch Affen gegeben.
Selbstverständlich gibt es zwischen den beiden Ereignissen eine Verbindung. Aber welche? Hat das etwas mit Fells Tod zu tun? All das ist mit dem Saarland und Attila verknüpft. Sollte er M ASCHINE fragen? Er weiß, daß er es eigentlich müßte. Will er es aber?
Er fühlt sich schwach, machtlos. Er ist der Erste Wächter, aber er kann nichts tun. Das war von Anfang an der Fall, und er fragt sich, warum ihm das erst jetzt klar wird. Wahrscheinlich, so überlegt er, denkt er die ganze Zeit daran… und vergißt es dann wieder bis zum nächsten Zwischenfall.
Es ist fast ein Witz: Er denkt darüber nach, daß er sich nicht daran erinnern kann, wie lange er schon Dinge vergißt. Und wie kommt es, daß er sich an Nebensächlichkeiten erinnern kann, so leicht und ohne Schwierigkeiten, während alles, was wichtig ist, durch seine Erinnerung rutscht wie… Er sucht verzweifelt nach einem Vergleich. Wie Wasser durch ein Sieb? Er kann sich nicht daran erinnern, daß er jemals Wasser durch ein Sieb hat laufen sehen. Wie kommt es, daß er überhaupt weiß, was das ist?
Wenn es doch nur noch einen anderen Weg gäbe, um nicht so abhängig von M ASCHINE ZU sein. Es müßte doch eine andere Methode geben, Ereignisse zu speichern. Schreib sie auf.
Schreib sie auf?
Schreib sie auf.
Die Worte kommen ihm ohne Anstrengung – wie der Vergleich –, sie kommen von irgendwoher wie ein Androiden-Affe, und er fragt sich, warum ihm das erst jetzt einfällt. Wieder nimmt er an, daß er die Idee schon früher gehabt hat und sie dann entweder nicht durchführte oder von M ASCHINE daran gehindert wurde.
Dieses Mal aber nicht, beschließt er – was auch immer dieses Mal ist.
Als sie die Tür aufschlossen und mit ihren hellen Fackeln, die die Dunkelheit durchschnitten, hereinkamen, glaubte Marcel Perier, seine letzte Stunde habe geschlagen, und er schlug ein Kreuz, als er aufstand.
Dann aber lachte einer der Schatten hinter den Fackeln. „Komm raus, Marcel“, sagte eine Stimme, als das Gelächter erstarb. „Noch bist du nicht reif fürs Schafott.“
„Raul!“
„Wer sonst?“ sagte der andere Lothringerhauptmann, und die beiden umarmten sich. „Aber gehen wir doch. Die Zelle hier stinkt, und Ratten gibt es auch.“
„Ich weiß.“
Sie gingen aus der Zelle heraus. Der Wächter schloß hinter ihnen die Tür wieder zu und eilte die enge Wendeltreppe aus Stein hinauf.
Perier fragte: „Hat der König mich freigelassen?“
„Eigentlich nicht.“
„Ihr befreit mich also?“
„Das auch nicht.“
„Was denn sonst?“
„Es wird gerade eine neue Armee für einen Feldzug gegen das Saarland ausgehoben, und da du der einzige Überlebende der Schlacht bist…“ Raul stieß die schwere Tür auf, sprach aber den Satz nicht zu Ende, den er angefangen hatte.
Hauptmann Perier sagte nichts.
Er wiederholt immer wieder für sich: Schreib es auf. Schreib es auf. Er hofft, es auf diese Art nicht zu vergessen. Er versucht sein Bestes, M ASCHINE ZU ignorieren. Er sieht sie nicht an, falls sie in der Lage sein sollte, seine Gedanken durch seine Augen zu lesen.
Wie aber kann er sich etwas verschaffen, worauf er das niederschreiben kann, was er von seinen Ausflügen in die Zukunft behält? Selbst wenn ihm das gelingen sollte, wie soll er es schaffen, etwas zu schreiben, ohne daß M ASCHINE es merkt? Immer von der Voraussetzung ausgegangen, daß er sich an das erinnern kann, was während seiner geistigen Zeitreisen geschieht – und daß M ASCHINE ihm in der Zukunft die Wahrheit sagt.
Schreib es auf.
Der einzige Kontakt, den er zur Außenwelt hat – sowohl über als auch unter der Oberfläche – ist M ASCHINE . Er sieht alles durch ihren Bildschirm: seine Kontakte mit Beobachtern und Wächtern, Ausschnitte von Aufzeichnungen des Lebens an der
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