Zeitfinsternis
er so lange sicher, wie die Leiche nicht gefunden wurde und keinem Zauberer davon berichtet wurde.
Dagegen gab es nur einen kleinen Einwand, eine einzige Tatsache, die nicht hineinpaßte. Der Drache. Wenn Fell ihn geschickt hatte, so bedeutete das, daß er über Ereignisse Bescheid wußte, die sich in großen Entfernungen abspielten. Würde daher das gleiche nicht auch auf die flämischen Zauberer zutreffen? Es sei denn, daß Fell mit dem Drachen nichts zu tun hatte. Wer aber war dann für ihn verantwortlich? Das Ungeheuer war dagewesen, da seine Verfolger nicht von einer Einbildungskraft verjagt worden sein konnten.
Nach einiger Zeit ließ er die Erinnerung an den Drachen in einer Art von geistigem Niemandsland verschwinden, wie alles Unverständliche, was nicht in bekannte Kategorien paßte. Es konnte nicht geschehen sein, also war es nicht geschehen. Wie die Riesen und die Zwerge, die neulich erschienen waren. Das konnte nicht passiert sein, und deshalb waren auch die paar tausend Menschen, die sie niedergemetzelt hatten, nicht tot.
Sir Guy von Angel schüttelte langsam den Kopf. Nein, das war nicht richtig. Sie waren nämlich tot.
Nach einiger Zeit bemerkte er vor sich eine Häusergruppe. Eine Stadt. Er wußte genau, daß es keinen Zweck hatte, geradeswegs hindurchzureiten. Er war in Flandern, aber war das Mädchen ebenfalls hier? Er war gezwungen, halt zu machen und zu fragen; er durfte nicht vergessen, weshalb er hier war.
Einer der ersten Menschen, die er sah, war ein Mann, der den gleichen Mantel wie er trug; ein Soldat, der an eine verfallene Mauer gelehnt stand und sich mit einem Dolch die Fingernägel säuberte. Der Mann sah ihm zu, wie er auf ihn zuritt, und richtet sich dann für den Fall, daß er einen höheren Dienstgrad hatte, auf.
„Ich versuche, eine junge Frau zu finden“, sagte Guy.
„Tun wir das nicht alle?“ sagte der Soldat.
„Das mag wohl sein, aber ich meine eine bestimmte junge Frau. Ich glaube, sie ist möglicherweise hier vorbeigekommen. Langes rotes Haar und mit…“ der Ritter gestikulierte mit seinen Händen.
„Bedauerlicherweise habe ich sie nicht gesehen. Fragt doch im Wirtshaus. Ich glaube aber nicht, daß ihr sie findet. Bestimmt hätte jemand etwas dagegen.“
Guy wollte gerade sein Pferd in eine andere Richtung lenken, zögerte aber nun. „Was meint Ihr damit? Wer sollte etwas dagegen haben?“
Der andere sah sich nach beiden Seiten um, senkte seine Stimme und gab zur Antwort: „Die Zauberer, wer sonst?“
Sir Guy nickte. Wer sonst?
„Wo finde ich das Wirtshaus?“
Der Soldat zeigte ihm die Richtung.
Wenn sie dort war, dann hatten die Zauberer sie. Er erinnerte sich an das, was die beiden aus dem Bauernhaus ihm gesagt hatten. Und wenn die Frau sich tatsächlich in den scheußlichen Klauen der flämischen Zauberer befand, würde er es nie schaffen, sie zu seinem König zurückzubringen.
Er ritt in der Richtung weiter, die der Soldat ihm gezeigt hatte. Er brauchte ordentlich etwas zu trinken und Zeit, um sich zu überlegen, ob er ins Saarland zurückreiten oder einfach nie mehr zurückkehren sollte. Er hielt ein paar Münzen in der Hand. Als er die Leiche weggeschleppt hatte, waren sie dem Mann aus dem Hemd gerollt, und er hatte sie in seinen eigenen Geldbeutel gesteckt, fast ohne es zu merken. Fast.
Er kam wieder heraus, als das Geld verbraucht war. Sein Besuch war nicht völlig umsonst gewesen. Als Gegenleistung für einen Krug Bier hatte ihm ein uralter Gast gesagt, er habe gesehen, wie die Frau am vorherigen Abend allein durch die Straßen gegangen sei. Sir Guy wußte nicht so recht, ob er ihm glauben sollte oder nicht; vielleicht hatte er die Geschichte nur erfunden, um ein Bier zu bekommen. Und was hatte so ein alter Mann um
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