Zeitfinsternis
schlichen. Gab es genug Beobachter und Wächter und wären sie bereit zu kämpfen? Konnten sie kämpfen? Sie waren dazu nicht ausgebildet, und die Renegaten hatten nur deshalb Erfolg gehabt, weil bei ihnen Pistolen gegen Schwerter gestanden hatten.
Ich stieg vor einem Haus ab, das romantischerweise als Schenke bekannt war, eine Art von Einrichtung, die es unten nicht gab – ein Pluspunkt für die Oberfläche.
Von Angel kam heraus und wollte gerade an mir vorbeigehen: Ich versperrte ihm den Weg.
„Halt, von Angel“, sagte ich zu ihm. „Ich weiß, was Ihr sucht.“
Ich kann mich nicht daran erinnern, daß ich mich bewußt dazu entschlossen hätte, ihn anzusprechen – dieser Impuls kam wie von selbst.
Er starrte mich an, Augen und Mund aufgerissen, und griff eine Sekunde später nach seinem Schwertgriff. Ich erreichte sein Handgelenk mit meiner Hand zuerst und versuchte ein beruhigendes Lächeln. Als er wieder sprach, kam mir der Gedanke, wie günstig es war, daß wir alle – mehr oder weniger – die gleiche Sprache benutzten.
„Keine Angst. Ich bin auf Eurer Seite. Ich bin auch hinter dem Mädchen her. Wir können uns gegenseitig helfen.“
Er machte zwar keinen Versuch mehr, seine Waffe zu ziehen, aber mein Lächeln schien auf der anderen Seite nicht den beabsichtigten Effekt zu erzielen. Vielleicht war ich doch falsch vorgegangen; vielleicht war an der alten Vorstellung etwas dran, daß man es sich überlegen sollte, bevor man etwas tat.
Die Schenke würde warten müssen. „Kommt mit“, sagte ich und fügte dann mit einem leichten Anflug von Genialität hinzu: „Befehl von Attila.“
Die drei magischen Worte. Von Angel machte seinen Mund zu und nickte. Wir stiegen auf unsere Pferde und machten uns auf den Weg aus der Stadt heraus, nicht zu schnell und nicht zu langsam.
„Habt Ihr sie schon gesehen?“
„Nein.“
„Seid Ihr sicher, daß sie in Flandern ist?“
„Das scheint wahrscheinlich. Seid Ihr nicht dieser Meinung?“
„Doch. Ich halte es auch für wahrscheinlich.“
„Ich nehme an, daß Ihr sie noch nicht gesehen habt?“
„Nein, jedenfalls nicht, wie ich Euch sehe.“
„Oh.“
„Was habt Ihr herausgefunden?“
„Seit wann?“
„Seit der König Euch hinter ihr hergeschickt hat.“
„Ich habe herausgefunden, daß sie eine kurze Zeitlang in Verdun war, dann aber weitergezogen ist. Von ein paar Bauern habe ich gehört, daß die Flamen Frauen aus den Nachbarländern rauben, und da habe ich angenommen, daß das auch mit der passiert ist, die ich suche. Daher bin ich hier. Wie habt Ihr mich gefunden?“
„Es gibt da Methoden.“
„Aber keine Methoden, jene zu finden, die wir suchen?“
„Anscheinend nicht. Was hättet Ihr denn jetzt gemacht, wenn ich nicht gekommen wäre?“
„Sie gefunden und zu König Attila zurückgebracht, natürlich.“
„Natürlich.“
„Zweifelt Ihr an mir?“
„Nein. Ich habe mich nur gefragt, wie Ihr eine solche Tat vollbringen wollt.“
„Wenn Ihr mir die Gelegenheit dazu gebt, werde ich es Euch erzählen.“
„Dann tut das.“
„Äh… in der Kneipe war ein Mann, der sagte, er habe jemanden gesehen, auf den die Beschreibung zutrifft, die ich von der jungen Frau habe, und ich…“
„Ihr habt eine Beschreibung?“
„Ja. Von einem alten Mann in dem Dorf bei der Schlacht. Aber ich versuche, Euch zu erzählen, was…“
„Bitte tut das.“
„Äh… also, dieser Mann in der Kneipe sagte, er habe gesehen, wie sie durch die Stadt gegangen ist – die Stadt, in der Ihr mich gefunden habt –, und zwar gestern am späten Abend. Sie war allein. Ich hatte deshalb den Plan, ihr nachzureiten, bis ich sie einhole. Sie kann nicht viele Stunden Vorsprung haben, und sie ist zu Fuß…“
„Ich verstehe. Sie war allein, deshalb können wir davon ausgehen, daß sie nicht
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