Zeitfinsternis
gefangengenommen worden ist – es sei denn, sie ist geflohen – und warum sollte sie in diesem Fall weiter nach Flandern hinein wandern? Wir müssen davon ausgehen, daß sie freiwillig hierhergekommen ist.“
„Vielleicht hat der Mann sich getäuscht.“
„Mehr als wahrscheinlich.“
„Dann ist sie vielleicht gar nicht in Flandern?“
„Möglich.“
Die beiden ritten eine Zeitlang schweigend weiter, und ungefähr um diese Zeit fing Sir Guy an, sich zu überlegen, ob die Zauberer vielleicht doch nicht ganz das waren, wofür sie gehalten wurden. Wenn der hier zum Beispiel nicht wußte, wo die Frau war – wußte es dann jemand anders? Er hatte nicht zugegeben, daß er ein Zauberer war, und seinen Namen hatte er auch nicht genannt. Und doch wußte er, wer der Ritter war, und er hatte ihn gefunden. Kam er wirklich von Attila, oder war er einer von den Zauberern Flanderns, der gekommen war, um seinen Auftrag zu vereiteln? War er hierhergeschickt worden, um ihn zu täuschen, in eine Falle zu locken? Warum sollte der König des Saarlands ihm einen Zauberer nachschicken?
Schließlich sagte er: „Wohin gehen wir?“
„Ich schließe mich Euch an. Wohin geht Ihr also?“
Sir Guy nagte eine Zeitlang unruhig an seiner Unterlippe und versuchte, sich eine Antwort zu überlegen. „Ich muß das ausführen, was mir befohlen worden ist“, sagte er schließlich.
„Ich auch“, sagte der Zauberer.
„Wir können aber doch nicht ewig weiterreiten. Eine solche Freiheit werden uns die Zauberer nicht einräumen. Wir müssen schnell handeln. Wir müssen etwas unternehmen.“
„Habt Ihr da irgendwelche Vorschläge?“
„Wir könnten jemanden fragen.“
„In Ordnung. Findet jemanden. Fragt ihn.“
„Aber wen?“
„Einen Zauberer, wen sonst?“
„Ist das nicht gefährlich?“
„Habt Ihr Angst?“
„Nein!“
Der Zauberer lächelte. „Gut.“ Er machte eine Geste zu dem Schwert des Saarländers. „Damit könnt Ihr wohl umgehen, nehme ich an?“
Guy nickte und dachte: Er weiß es nicht; er hat keine Ahnung davon, daß ich damit heute schon getötet habe. „Ja“, sagte er laut und fragte sich, ob er den anderen Reiter umbringen solle. Er hatte sich zwar ihm gegenüber nicht feindselig verhalten, aber er konnte nicht von Attila kommen, wie er behauptete. „Habt Ihr keinen Zauberstab?“ fragte er.
„Selbstverständlich“, sagte der andere mit einer Betonung, die nicht angebracht schien. Warnte er den jüngeren Mann davor, etwas gegen ihn zu unternehmen? „Das einzige, was ich zu fürchten habe, sind andere Zauberer – und warum sollte ich sie fürchten? Wir sind alle miteinander verbündet.“
„Habt Ihr vor, sie aufzusuchen?“
„Ja.“
„Dann werde ich Euch begleiten.“ Guy wußte, daß ihm keine Wahl blieb, aber es war besser, wenn der Magier dachte, daß er freiwillig mit ihm kam. In gewisser Weise tat er das auch. Vielleicht würden sie zusammen die junge Frau finden – dann mußte er nur diesen einzelnen Zauberer besiegen und nicht jeden in Flandern.
Napoleon XV. hatte ein paar Tage dazu gebraucht, um ratlos und verwirrt festzustellen, daß nicht alles so war, wie es hätte sein können, wenn man König war. Er war sich sicher, daß sein verstorbener, beweinter Vater solche Schwierigkeiten nicht gehabt hatte. Solche Dinge waren aber auch noch nie vorher geschehen. Außerdem war da niemand, den er um Rat fragen konnte. Alle waren so verblüfft wie er. Bischof Lamarck konnte man noch am ehesten verstehen, der ihm pedantisch zuflüsterte, daß die Wege des Herrn geheimnisvoll und unbegreiflich seien.
„Seid Ihr sicher?“ fragte er.
„Ja, Euer Majestät“, sagte der Mann, der zwischen zwei Wachen vor ihm kniete. „Es ist genauso geschehen, wie ich es gesagt
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