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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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mehr als ein paar knap­pe Sät­ze ent­lo­cken. Ich hielt es für un­wahr­schein­lich, daß er mir glaub­te.
    Je­der war für sich, wir wa­ren kei­ne Ka­me­ra­den. Wir hat­ten nichts ge­mein­sam. Ich über­leg­te mir, ob ich ihn zu­rück­las­sen oder ihm viel­leicht ein Pferd ge­ben und ihn zu­rück ins Saar­land schi­cken soll­te. Was nütz­te er mir? Der Ers­te hat­te mir zwar ge­sagt, ich sol­le ihn mit­neh­men, aber, so sag­te ich mir, der Saar­län­der war nur bei mir, weil ich es so woll­te, und nicht we­gen ei­nes Be­fehls.
    Die Schran­ke zwi­schen uns bei­den wur­de nie ge­ho­ben. Von An­gel ver­trau­te mir nicht, ob­wohl er mich nicht mehr mit sol­cher Ehr­furcht an­zu­se­hen schi­en. Das war mir nicht be­son­ders wich­tig: Als Be­ob­ach­ter oder Wäch­ter war man auf sich selbst ge­stellt, und ich hat­te es ge­lernt, oh­ne an­de­re Men­schen aus­zu­kom­men.
    Drau­ßen gab es kei­ne an­de­ren Men­schen. Wür­de ich es ler­nen, dort zu le­ben? Oder wür­de ich dort den Tod fin­den – nie­mand konn­te lan­ge im Drau­ßen le­ben, und das hieß doch, daß dort der Tod war­te­te…
     
     
    „Auf­wa­chen!“ Er spürt, wie ihn je­mand schüt­telt.
    „Bit­te wach auf!“ Er er­kennt die Stim­me der Frau.
    „Bit­te!“ Er öff­net sei­ne Au­gen, blin­zelt und schaut sich ver­wirrt um. Er fragt sich, wo er ist – und wann er ist.
    Es ist sehr dun­kel. Sind die Lich­ter aus­ge­fal­len? M ASCHI­NE soll­te da sein, um sei­ne Zeit­ko­or­di­na­ten fest­zu­le­gen. Wo ist sie? Aber ha­ben nicht er und die Frau sie aus dem Schlaf­zim­mer ver­trie­ben? Als sich sei­ne Au­gen an die düs­te­re Be­leuch­tung ge­wöhnt ha­ben, sieht er, daß sie auf je­den Fall nicht in sei­ner Woh­nung sind. Sie sind al­lein in ei­nem der Tun­nels, und die ein­zi­ge Be­leuch­tung kommt von ei­ner Ta­schen­lam­pe, die zwi­schen ih­nen auf dem Bo­den liegt.
    „Was…“ sagt er.
    „Wir ha­ben kei­ne Zeit“, sagt sie und zieht an sei­nem Arm. Er steht auf. „Wir müs­sen schnell weg von hier. Be­vor sie uns fin­den und um­brin­gen.“
    „Wer…“
    Aber sie hat schon die Lam­pe auf­ge­ho­ben und zieht ihn an der Hand durch den Tun­nel. Es ist leich­ter, ihr zu fol­gen, als laut Fra­gen zu stel­len. Sein Kopf ist noch im­mer dem Schlaf nä­her als dem vol­len Be­wußt­sein. In sei­nem Kopf aber be­ginnt er sich zu fra­gen: zu fra­gen, wie sie hier­her­ge­kom­men sind, was ge­sche­hen ist, wo M ASCHI­NE ist und wer sie um­brin­gen will.
    Noch nie hat er sich so völ­lig des­ori­en­tiert ge­fühlt. Das letz­te, wor­an er sich noch er­in­nern kann, ist, daß er ei­nem von den Be­ob­ach­tern An­wei­sun­gen ge­ge­ben hat. Und jetzt das hier, und oh­ne M ASCHI­NE , die ihm die Er­eig­nis­se der Zwi­schen­zeit schil­dern und ihn auf den neues­ten Stand brin­gen könn­te. Sei­ne Ver­wir­rung wird durch die Tat­sa­che noch ver­grö­ßert, daß er sich nicht mehr in sei­ner ei­ge­nen Woh­nung be­fin­det. Viel­leicht hat M ASCHI­NE ihn an­ge­lo­gen, aber er hat­te we­nigs­tens ei­ne ge­wis­se Si­cher­heit da­durch, daß sie ihm über­haupt et­was er­zähl­te. Aus sei­ner Er­in­ne­rung spru­delt die In­for­ma­ti­on, er ha­be frü­her ge­dacht, die Frau kön­ne be­hal­ten, was er M ASCHI­NE er­zähl­te, um da­mit zu über­prü­fen, ob sie die Wahr­heit sag­te, wenn er es wie­der ver­ges­sen hat­te. Es sei denn, so wird ihm plötz­lich klar, das M ASCHI­NE auch ih­re Er­in­ne­rung ma­ni­pu­lie­ren kann. Wo ist M ASCHI­NE aber jetzt?
    Er ver­spürt einen Schmerz in sei­nem Ma­gen, ein Ge­fühl, als zu­cke dort et­was und zö­ge sich zu­sam­men. Er bleibt ste­hen, lehnt sich nach vorn und hält sich fest. Ist er krank? Ist er ver­letzt? Ist es de­nen, die ihn tö­ten wol­len – falls sie wirk­lich exis­tie­ren – ge­lun­gen, ihn zu ver­gif­ten?
    Die Frau bleibt ste­hen, als sich ih­re Hän­de tren­nen. „Was gibt’s?“ fragt sie.
    „Schmer­zen“, sagt er. „Es tut weh.“
    Nach ein paar Se­kun­den sagt sie: „Das ist Hun­ger. Du hast seit mehr als ei­nem Tag nicht mehr ge­ges­sen. Du bist mü­de. Du hast nur ein­mal ge­schla­fen, ein paar Stun­den, das ist al­les.“
    Sie ge­hen wei­ter.
    Mehr als einen Tag? Nur ein­mal

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