Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
erzählen, was Ihr wissen wollt.«
Ich blickte ihn misstrauisch an.
Gelassen erwiderte er meinen Blick.
»Also gut«, willigte ich schließlich zögernd ein, »aber warum ist Euch korrekte Kleidung immer so wichtig?«
»Es ist das Einzige, was uns von den Tieren unterscheidet«, antwortete er ungerührt.
Nachdem ich mich auf meinem Zimmer eilig gewaschen und gekämmt hatte, zog ich das nachtblaue Samtkleid an, das mir der Viscount zurechtgelegt hatte. Wie erwartet, passte es mir wie angegossen. Nach nur wenigen Minuten trafen wir uns an der verabredeten Stelle wieder und schlenderten den Bach entlang.
»Was wollt Ihr wissen?«, fragte Arlington.
»Beginnt mit Travisham«, antwortete ich. »Warum habt Ihr mich damals angelogen und behauptet, er sei tot? Ist er Euer Freund? Und wenn dem so ist, wieso habt Ihr mich dann überhaupt gerettet?«
»Ich habe damals gesagt, Travisham sei tot, weil er schon so gut wie tot war«, erklärte Arlington. »Ich hatte zu keiner Zeit vor, ihn am Leben zu lassen.«
»Aber es sah so aus, als wenn Ihr ein überaus freundschaftliches Verhältnis miteinander pflegen würdet.«
Arlington sah mich an. »Sagt Euch die ›Essex-Verschwörung‹ etwas?«
Irritiert sah ich ihn an. »Ja, natürlich.« Robert Devereux, der 2. Earl of Essex, hatte dereinst versucht, Elizabeth I. vom Thron zu stürzen. Der Verrat war jedoch entdeckt und Devereux zum Tode verurteilt worden. »Aber was hat das mit Travisham zu tun?«
»Travisham war einer der Peers, die Devereux seinerzeit unterstützt hatten«, erklärte Arlington. »Ich hatte mir damals sein Vertrauen erschlichen, um mehr über die Hintermänner der Verschwörung zu erfahren. Zu diesem Zweck hatte ich ihn außerdem rund um die Uhr beobachtet, auch an dem Tag, als er Euch damals im Hafen angegriffen hatte. Ich hatte ihn leider nur einen kurzen Moment aus den Augen verloren, und als ich ihn dann wieder fand, war es schon zu spät.« Arlingtons Gesicht versteinerte sich, er blickte nachdenklich in die Ferne. »Ich hätte ihn zu gerne bereits in dem Moment schon getötet, aber ich musste noch herausfinden, wann und wie der Staatsstreich geplant war.«
Ich sah ihn an. »Und an dem Abend, als ich Travisham in Eurem Haus antraf, da erfuhrt Ihr es?«
»Ja. Ich tötete ihn noch in derselben Nacht, aber da wart Ihr bereits verschwunden«, berichtete Arlington weiter. »Ich hatte in der darauf folgenden Zeit noch weitere Anhänger von Devereux aufgespürt. Als ich endlich dazu kam, mich auf die Suche nach Euch zu machen, war Eure Spur mittlerweile erloschen.«
»Und das Mädchen?«, fragte ich in Erinnerung an die Hafendirne, von der Travisham und Arlington allem Anschein nach damals getrunken hatten.
»Travisham hatte sie mitgebracht«, erklärte er. »Ich hatte sie nicht angerührt. Aber ich konnte auch nichts mehr für sie tun.«
Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her. »Seid Ihr all die Jahre in London geblieben?«, fragte ich Arlington dann.
Er schnaubte verächtlich aus. »Gott bewahre! Unter Cromwell war London wirklich wenig amüsant, daher bin ich eine Zeitlang auf Reisen gegangen. Vor ein paar Jahren bin ich dann hierher zurückgekehrt, nachdem ich dieses reizvolle Fleckchen Land aufgetan habe.«
»Natürlich bin ich mittlerweile der sechste Viscount Arlington«, fuhr er leichthin fort. »Es ist ganz vorteilhaft, sich als der eigene Nachfahre auszugeben, wenn man nach einiger Zeit an einen Ort wiederkehren möchte. Ihr hingegen habt Euch inzwischen als ›Sir Gerald Galveston‹ auch recht gut etabliert, wie ich erfahren durfte.«
»Ach ja, wie habt Ihr mich denn eigentlich entdeckt?«, fragte ich ihn und versuchte dabei, möglichst unbeteiligt zu wirken.
Arlington lächelte. »Da kam mir der Zufall zur Hilfe. Eines Tages erblickte ich Euch vor Lincoln’s Inn auf der Straße. Aufgrund Eurer Männerkleidung war ich anfangs nicht ganz sicher, dass Ihr es tatsächlich wart, daher ließ ich zunächst ein paar Erkundigungen einholen und erfuhr so, dass Ihr als ›Gerald Galveston‹ am St. James’s Square residiert. Ich postierte mich von da an desöfteren vor Eurem Haus und bemerkte auf diese Weise schließlich, dass abends regelmäßig ein Pestarzt das Gebäude verließ. Da sich die Bewohner dieser vornehmen Gegend in der Regel nicht dazu herabließen, als Pestarzt zu arbeiten, hatte ich bereits die Vermutung, dass Ihr diejenige wart, die sich unter dem schweren Mantel und der Maske verbarg. Und so war es ja dann
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