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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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später erfuhr ich, dass das erst vor wenigen Jahren von den Niederländern übernommene New York inzwischen auch ein beliebtes Anlaufziel für englische Einwanderer war. Ich entschied mich, dort einmal mein Glück zu versuchen.
    Es gab schon eine ganz passable Postkutschenverbindung nach New York, und so reiste ich mit der Postkutsche dorthin, weil ich auf diese Weise mein Gepäck besser transportieren konnte.
    Zwar besaßen auch in New York zurzeit die Puritaner die vorherrschende Macht, dennoch präsentierte sich mir hier bereits direkt bei meiner Ankunft ein abwechslungsreicheres Stadtbild als in Boston. New York zog Einwanderer aus den unterschiedlichsten Regionen an und war insofern von einer kulturellen Vielfalt geprägt.
    Nachdem ich eine Zimmerflucht in einer Pension angemietet hatte, suchte ich als Erstes wieder das Rathaus auf, um in den dortigen Akten nach Maddy zu forschen. Leider erlebte ich eine herbe Enttäuschung: Weder ein Matthew noch eine Madeleine Kingsbury waren in New York als Einwohner gemeldet. Da mir die Stadt gefiel, beschloss ich, trotzdem erst einmal hier zu bleiben.
     
    Etwas, das ich an der Neuen Welt besonders mochte, war die enorme Bereicherung meines Speiseplanes. Während mir in England für die Jagd nur Damhirsche, Rehe oder Kleinwild zur Verfügung standen, konnte ich hier in den umliegenden Wäldern auf Luchse, Pumas, Schwarzbären oder gelegentlich sogar Grizzlybären Jagd machen. Vielleicht kam es mir nur so vor, aber ich hatte den Eindruck, dass das Blut eines Pumas oder Grizzlys mir ganz andere Energieschübe verlieh, als das Blut eines Damhirschen es vermochte. Natürlich war ein Grizzly auch nicht so einfach zu erlegen wie ein Damhirsch, doch mit der Zeit hatte ich den Bogen raus und empfand auch die Jagd selbst als willkommenes Training.
     
    Ich hatte inzwischen schon drei Wochen in New York verbracht und begann daher zu überlegen, ob ich mir nicht noch mehr von der Neuen Welt - zum Beispiel die südlicheren Kolonien - ansehen sollte. Doch eines Morgens hatte ich eine Begegnung, die mich veranlasste, meine Pläne zu ändern. Ich spazierte am Hafen entlang, weil ich immer wieder gerne dem geschäftigen Betrieb von an- und ablegenden Schiffen, der Verladung von Gütern und der Ankunft neuer Einwanderer zusah.
    Am hinteren Ende eines Docks fiel mir eine elegant gekleidete Frau auf, die offenbar einige Hafenarbeiter bei der Verladung der Fracht beaufsichtigte. Sie stand mit dem Rücken zu mir und ihre Erscheinung war äußerst ungewöhnlich, nicht nur, weil man im Hafen überhaupt selten auf Frauen traf. Ihre Kleidung entsprach auch so gar nicht der strengen Tracht der Puritanerinnen. Sie trug ein exquisites Kleid aus violetter Seide mit einem fast riesigen Reifrock und auf dem Kopf hatte sie anstatt der sittsamen Puritanerinnen-Haube ein keckes Hütchen auf den rot geringelten Löckchen festgesteckt. Irgendetwas an dieser Erscheinung und an den Löckchen kam mir bekannt vor. Ich beschleunigte meinen Schritt und lief auf die Frau zu.
    »Maddy?«, rief ich fragend.
    Die Frau drehte sich um und auf ihrem Gesicht zeichnete sich zunächst Fassungslosigkeit und dann unbändige Freude aus. »Gem…«, begann sie und korrigierte dann ihren Ausruf mit einem raschen Blick auf meine Männertracht, »Gerald!« Freudestrahlend fielen wir einander in die Arme.
    »Gerald«, fragte Maddy vergnügt zwinkernd, »was machst du denn hier?«
    »Ach, das ist eine lange Geschichte«, antwortete ich lachend, »aber lass dich mal anschauen. Du siehst ja hervorragend aus!« Begeistert musterte ich ihre schicke Aufmachung.
    Maddy lachte fröhlich auf. »Ich muss mich doch standesgemäß kleiden! Schließlich bin ich jetzt Madeleine Charlerois, die Marquise de Fontainebleau.« Sie machte einen koketten Knicks.
    Ich starrte sie verblüfft an. »Du hast geheiratet?«, fragte ich. »Aber wie …? Ich meine, ist er auch …?«
    Maddy schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Er ist keiner von uns. Aber dennoch weiß er, was ich bin.«
    Meine Augen wurden noch größer.
    Maddy lachte über meinen entgeisterten Gesichtsausdruck. Dann zog sie mich mit sich. »Komm! Ich werde dir zu Hause alles erklären. Wir haben hier ein Stadthaus gemietet. Hast du schon eine Unterkunft?«
    Ich erzählte ihr von meiner Pension.
    »Dann holen wir zunächst deine Sachen. Selbstverständlich wohnst du jetzt bei uns!«, erklärte sie entschlossen. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.
     
    Die Einrichtung in Maddys Stadthaus

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