Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
er betrachtete mich nun lauernd, »ist Euch eigentlich schon einmal nahegelegt worden, Euch den Sybarites anzuschließen?«
»Selbstverständlich«, entgegnete ich strahlend. »Ich hatte in England das ungewöhnliche Vergnügen, dem Viscount Whitfield zu begegnen und mit einem seiner Trabanten ein Annexions-Duell durchführen zu dürfen.«
»Ihr habt schon mal ein Annexions-Duell durchgeführt?« Guilloncourt verbarg geschickt seine Überraschung. »Nun denn, somit habt Ihr Eure Einstellung gegenüber unserer einträchtigen kleinen Gemeinschaft ja bereits einmal zum Ausdruck gebracht. Es wäre interessant, diese Einstellung eines Tages aufs Neue zu überprüfen.«
»Das wäre es sicherlich«, stimmte ich ihm freundlich zu. »Allerdings nehme ich an, dass Ihr momentan noch zu beschäftigt mit Euren Experimenten seid?«
»Das bin ich in der Tat«, bestätigte er bedauernd. »Jedoch wäre es mir ein Vergnügen, wenn wir ein entsprechendes Treffen bei Gelegenheit nachholen könnten.«
Er machte eine kleine Verbeugung zum Abschied, befahl Bastien, ihm zu folgen und verließ leichten Schrittes den Hinterhof. Nachdenklich sah ich ihm hinterher.
In dem komfortablen Zimmer, das ich in Charlestown gemietet hatte, zog ich eine Zwischenbilanz meiner bisherigen Reise durch die Kolonien. Die einzigen Vampire, denen ich bislang begegnet war, waren ein eigenbrötlerischer Plantagenbesitzer, ein Sybarit und ein Sklave, der Letzterem hörig war. Mit Bastien war ich obendrein auf eine weitere Kreatur gestoßen, die zum Opfer der Sybarites wurde, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. Bis dato war meine Suche nach Unterstützung gegen die Sybarites noch nicht sonderlich erfolgreich. Ich fragte mich, ob Guilloncourt wohl der einzige Sybarit war, der sich derzeit in Charlestown aufhielt und beschloss, mich in den nächsten Nächten unauffällig umzusehen.
Tatsächlich entdeckte ich in der übernächsten Nacht in einer kleinen Kapelle eine Versammlung der Sybarites. Ebenso wie in Québec bekam ich die Gelegenheit, die Veranstaltung unbemerkt durch ein Fenster zu beobachten und ebenso wie dort hatte anscheinend der Comte de Guilloncourt den Vorsitz bei der Versammlung. Mit gelassenem Gesichtsausdruck führte er Bastien den anderen Sybarites vor und referierte offenbar über dessen Fähigkeiten. Wissend, dass ich allein gegen diese Gruppe nicht ausrichten konnte, entfernte ich mich voller Verdrossenheit wieder von dem Schauplatz.
Nach ein paar weiteren Nächten, in denen ich Charlestown durchstreifte, erhielt ich die Gewissheit, dass diese Gruppe Sybarites derzeit die einzigen Vampire in der Stadt waren, und entschied daher, meine Reise fortzusetzen.
Ich reiste zunächst durch Georgia, zu diesem Zeitpunkt noch eine spanische Provinz mit dem Namen Santa Catalina. Allerdings hatten bereits erste englische Siedler von Carolina aus begonnen, das Land zu besetzen, wodurch es zwischen Spanien und England zum Streit um die Besitzansprüche dieser Kolonie gekommen war. Nahezu die ganze Provinz war von diesen Unruhen dominiert und ich konnte in keiner der Siedlungen einen Hinweis auf andere Vampire finden.
Ich zog weiter in die Spanische Kolonie Florida, bedacht darauf, in dieser Region nur nachts unterwegs zu sein. Auf Engländer war man hier nämlich nicht sonderlich gut zu sprechen, erst recht, seitdem Sir Francis Drake 1586 mit Billigung der englischen Königin St. Augustine, die damalige Hauptstadt der Provinz Florida, angegriffen und niedergebrannt hatte. Und erst vor wenigen Jahren hatte es erneut blutige Angriffe englischer Piraten auf die Stadt gegeben.
In St. Augustine begegnete ich eines Nachts Don Francisco de Alvarellos, einem spanischen Vampir mit dem Titel eines Marqués. Der Marqués war soeben im Begriff, sich hinter einer kleinen Friedhofskapelle eine Dienstmagd zu Gemüte zu führen, als ich ihn bei seiner Mahlzeit störte. Don Francisco erkannte anhand meiner Kleidung und meines blonden Haares sofort, dass er einen Engländer vor sich hatte, und ließ die Magd fallen, um sich mir zuzuwenden. Die Magd rappelt sich eilig auf und rannte in heller Panik davon.
Der Marqués betrachtete mich neugierig. Dann schnupperte er und zog ein enttäuschtes Gesicht. »Ihr seid ein Artgenosse!«, stellte er unwillig fest. »Und ich hatte schon gehofft, das fade Blut einer spanischen Magd gegen das eines englischen Edelmannes eintauschen zu können! Dennoch gebietet es die Höflichkeit, dass ich mich vorstelle.«
Er
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