Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
dass ich kein Theater spiele.«
Ich verlor mich kurz in seinen dunklen Augen. »Das macht es alles nur noch komplizierter«, erklärte ich seufzend.
»Ich weiß«, antwortete er resigniert, wobei sich ein leichtes Lächeln in seinen Mundwinkel stahl.
Wir sahen einander stumm an.
»Also, was wirst du nun tun?«, brach Francisco nach einer Weile das Schweigen.
»Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen, menschliches Blut zu trinken«, erklärte ich verbittert. »Ebenso wie Maddy. Aber keine von uns wird dabei einen unschuldigen Menschen anrühren. Es gibt auf den Straßen von Paris genug Abschaum und Verbrecher. Darunter werden wir uns unsere Beute suchen. Jeweils einen für Maddy und mich zum Üben und einen für jeden von uns als Gastgeschenk.«
»Es wird mindestens ebenso schwer werden wie damals nach deiner Verwandlung«, warnte Francisco mich. »Sobald du einmal menschliches Blut gekostet hast, wird es unendlich schwer sein, seinem Aroma zu widerstehen.«
»Ich weiß«, erklärte ich tonlos. »Es wird halt eine weitere Prüfung meiner Willensstärke sein und ich bin bereit, mich ihr zu stellen. Wirst du uns helfen?«
»Natürlich«, versprach Francisco ernst. »Nur befürchte ich, dass ihr unter den Kriminellen von Paris kein geeignetes Gastgeschenk für die Sybarites finden werdet. Schließlich verlangen sie jemanden, der vornehm und unschuldig ist und sie werden es riechen können, ob die betreffende Person noch unberührt ist.«
Ich löste mich aus seiner Umarmung. »Dazu werde ich mir schon noch was einfallen lassen«, erklärte ich mit kalter Entschlossenheit und wandte mich wieder der Tür zu.
»Gemma«, rief Francisco mich mit leiser Stimme zurück.
»Ja?« Ich drehte mich fragend um und er riss mich erneut in seine Arme und küsste mich fast noch feuriger als bei unserem Spaziergang an der Seine. Schlagartig durchströmte die Begierde meinen Körper und ließ mich kurzfristig die Sorgen um unsere Aufnahme bei den Sybarites vergessen. Schon allzu lange hatte ich dieses sinnliche Gefühl des Schwindels vermisst und gab mich ihm nun mit einer schmerzenden Sehnsucht hin.
Nach einer kleinen Ewigkeit, während der offenbar die Welt um mich herum stehengeblieben war, gab Francisco mich schließlich wieder frei und sah mich ernsthaft an.
»Bist du dir sicher? Von nun an wird es kein Zurück mehr geben.«
Traurig nickte ich ihm zu. »Ja«, antwortete ich bedauernd, »ich bin mir sicher.«
Francisco und ich betraten wieder den Salon, in dem Maddy und Don Miguel in ein vermeintlich angeregtes Gespräch mit Momboisse verwickelt waren. Maddy betrachtete mich kurz prüfend und lächelte dann erleichtert, als sie sah, dass ich mich wieder im Griff hatte.
Momboisse drehte sich neugierig zu uns um. »Ah, Mademoiselle, wie ich sehe, seid Ihr wieder wohlauf«, stellte er mit breitem Lächeln aber wachsamem Blick fest. »Wie habt Ihr denn hier im Haus so schnell Euren Durst löschen können?«
Plötzlich überkam mich angesichts dieser hinterhältigen Gestalt eine eisige Ruhe und ich strahlte ihn hocherfreut an. »Ach, Monsieur, wir haben, oder besser gesagt: hatten …«, ich kicherte amüsiert, »wir hatten da eine Dienstmagd, die leider unerträglich langsam im Begreifen war. Ein ewiges Ärgernis! Tja, jetzt konnte sie sich doch noch für etwas Nützliches erweisen und wird meine Geduld nie wieder strapazieren.«
Momboisse kicherte ebenfalls und heuchelte Entsetzen. »Mademoiselle, eine Dienstmagd? In Eurem eigenen Haus? Ihr seid ja noch abgebrühter, als ich es angenommen hätte. Ihr werdet Euch bei den Sybarites sicherlich äußerst wohl fühlen.« Er lächelte mich anerkennend an, während Maddy mir einen vorsichtigen Seitenblick zuwarf.
Momboisse stand auf. »Mesdames und Messieurs, so anregend und unterhaltsam ich Ihre Gesellschaft auch finde, so zwingen mich leider dringende Geschäfte dazu, mich nun von Ihnen zu verabschieden. Ich habe mit Madame de Fontainebleau vereinbart, dass Sie einen Monat Zeit haben, um sich nach einem passenden Gastgeschenk für uns umzusehen. Sobald sie etwas gefunden haben, werden wir ein rauschendes Fest für Sie veranstalten, in dessen Rahmen wir Sie dann offiziell bei uns aufnehmen.«
»Wir können es kaum erwarten!«, log ich mit strahlendem Lächeln.
Erbarmungslos
Francisco, Don Miguel, Maddy und ich hatten vereinbart, uns zunächst in den Rotlicht- und Elendsvierteln der Stadt nach geeignetem »Übungsmaterial« umzusehen, da sich dort
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