Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
oberste Priorität zu geben und über sämtliche Angelegenheiten und Unternehmungen völliges Stillschweigen zu bewahren. So wie sämtliche andere Mitglieder der Sybarites nun für mich ergebene Brüder und Schwestern sein werden, so werde ich auch ihnen jederzeit getreu zur Seite stehen. Der Bund, den ich mit ihnen eingehe, ist unwiderruflich und untrennbar.«
Sabourdin legte jedem von uns ein identisches Exemplar des Vertrages vor und bat uns ihm die linke Hand zu reichen. Er ritzte kurz mit seinem Zahn jeden von uns an der Innenseite des Handgelenks, tauchte eine Feder in den jeweils daraus hervorquellenden Blutstropfen und ließ uns unterschreiben.
Dann ließ er die Verträge wieder einsammeln. Longueville nickte ihm zu und erhob erneut die Stimme. »Ich denke, damit wäre den Förmlichkeiten genüge getan. Meine lieben Freunde, Ihr werdet sicherlich noch einige Fragen haben, was die Regeln und Unternehmungen unserer beschaulichen kleinen Gemeinschaft anbelangt. Ich habe daher unseren teuren Marquis de Momboisse abkommandiert, Euch für jedwede Informationen, nach der es Euch gelüstet, zur Verfügung zu stehen.« Er wies auf den mittlerweile ebenfalls an der Tafel sitzenden Momboisse, der sich kurz verneigte. »Da wir aber schließlich alle hier sind, um uns zu vergnügen«, fuhr der Duc fort, »mögen die Feierlichkeiten nun endlich beginnen.«
Er klatschte wieder in die Hände, woraufhin das Streichquartett erneut zu spielen begann und die Lakaien aufs Neue Silbertabletts hereintrugen, auf denen jeweils zwei blutjunge Mädchen saßen. Sie waren Rücken an Rücken aneinander gebunden, trugen zarte Negligés und ihr Gesichtsausdruck war so leer, als ob man sie betäubt hätte.
Die Lakaien verteilten die Tabletts auf der Tafel, was von den daran sitzenden Vampiren mit einem zustimmenden Gemurmel begrüßt wurde. Auch vor uns wurde ein ebensolches Tablett abgestellt. Mit Entsetzen beobachteten Maddy und ich nun, wie die Lakaien fachmännisch jeweils ein Mädchen an der Halsschlagader ritzten und sofort danach so etwas wie eine kleine Zapfvorrichtung an der Wunde anbrachten, die mit Bändern am Hals des jeweiligen Mädchens befestigt wurde. Dabei war nicht ein Tropfen Blut der Mädchen verlorengegangen, was darauf schließen ließ, dass die Lakaien dieses Prozedere nicht zum ersten Mal durchgeführt hatten.
Der Duc de Longueville hielt sein Kristallglas unter einen der zierlichen Zapfhähne und öffnete ihn, bis das Glas mit der dunkelroten Flüssigkeit randvoll gefüllt war. Dann hob er es zu Gruß an seine Gäste im Saal. »Nunc est bibendum!«, rief er aus und alle anderen schlossen sich ihm an. »Trinkt!«, forderte er uns lächelnd auf. »Die Qualität ist hervorragend.«
Ich schloss kurz die Augen. Der berauschende Duft, der mir aus den bereits gefüllten Gläsern entgegenschlug, kämpfte in mir einen tobenden Wettstreit mit meinem Abscheu über dieses Spektakel. Doch ich wusste, dass ich mir keine Blöße geben durfte. Nicht schon zu diesem frühen Zeitpunkt.
Also griff ich nach meinem Glas und füllte es mit dem köstlichen Blut des apathisch vor mir sitzenden Mädchens und bemühte mich, meine aufkommende Selbstverachtung zu unterdrücken. Ich hob mein Glas zu einem stummen Gruß an Maddy, Francisco und Miguel und wusste, dass die fröhliche Stimmung auf ihren Gesichtern ebenso Fassade war wie die meinige.
Die weiteren Feierlichkeiten bestanden für uns darin, unsere Maskerade aufrechtzuerhalten.
Schon bald waren die ersten Mädchen leergetrunken. Dadurch, dass sie am Rücken aneinander gebunden waren, wurde auf perfide Weise verhindert, dass ihre sterbliche Hülle in sich zusammensank. Waren beide Mädchen auf einem Tablett ausgesaugt, so sorgten die Lakaien für Nachschub.
Nachdem alle Vampire solchermaßen ihren ersten Durst gestillt hatten, gab es verschiedene Darbietungen von Gauklern, Artisten und Tänzerinnen, alle indes mit etwas morbidem Charakter.
So führte eine orientalische Tänzerin beispielsweise einen Tanz mit ein paar Schlangen auf. Um die Gefährlichkeit dieser Reptilien unter Beweis zu stellen, ließ sie die Schlangen jedoch zunächst einen jungen Knaben beißen, der eigens zu diesem Zweck herbeigeführt war und daraufhin ohnmächtig zusammenbrach.
Als Nächstes machten sich ein paar in groteske Clownskostüme gekleidete Vampire daran, eben jenen Knaben auszusaugen, wobei sie ein großes Theater darum machten, wie widerwärtig der Junge jetzt angesichts des Schlangengiftes
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