Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)
Saint-Michel unterbringen«, schlug Félice vor. »Ich habe recht gute Verbindungen zu den Benediktinermönchen.«
Nachdem wir die Rahmenbedingungen für unser Vorhaben geklärt und Giles mit den nötigen Accessoires für seine Rolle als Comte de Radisset ausstaffiert hatten, machten wir uns am Abend zu sechst wieder auf den Weg zum Château de Caen.
In Caen selbst organisierten wir rasch eine kleine Kutsche, die Giles dann in der Verkleidung des Comte de Radisset – wattierter Überrock und voluminöse Allongeperücke – zum Haupttor der Festung fuhr. Von einem Gebüsch aus beobachteten wir, wie die Wache, wohl ein wenig erstaunt, dass Radisset schon wieder hier erschien, ihn dennoch anstandslos hineinließ. Derweil drang der Rest von uns unbemerkt über die Festungsmauer in das Innere der Burg ein.
Nachdem wir uns vergewissert hatten, dass uns niemand bemerkte, schoben wir die Kutsche mit den Vorderrädern in einen kleinen Wassergraben im Festungshof. Dann wartete Giles, bis wir uns nacheinander in das Kellergewölbe mit den Verliesen geschlichen und in verschiedenen Nischen versteckt hatten.
Schließlich erschien Giles wie verabredet am unteren Treppenende im Kellergewölbe und blieb dort stehen. Von meinem Versteck aus hätte selbst ich ihn im flackernden Licht der Fackeln für den Comte persönlich halten können. Prompt schaute der Mort-Vivant neugierig in seine Richtung.
»Was starrst du so blöd? Hilf mir gefälligst oben im Hof mal mit der Kutsche!«, blaffte Giles im typischen Tonfall Radissets und ging sofort darauf die Treppe wieder hinauf.
Triumphierend beobachteten wir, wie der Mort-Vivant ihm nach einem kurzen Moment des Zögerns hinterherging. Augenblicklich eilten wir aus unseren Verstecken hervor, während Giles nun oben im Hof versuchen würde, den Mort-Vivant mit der vermeintlich verunglückten Kutsche zu beschäftigen.
Maddy und ich führten die anderen zu der besagten Verliestür, hinter der wir in der vorherigen Nacht den echten Radisset verschwinden sehen hatten.
Mit einem raschen Tritt auf das eiserne Schloss hatte Francisco die Tür geöffnet.
Nun standen wir in einem kleinen karg eingerichteten Raum. Auf einer hölzernen Pritsche saß ein Mann mit eingefallenen Wangen und verwahrloster Kleidung. Sein Geruch lies kein Zweifel daran, dass er ein Artgenosse von uns war und sein milchiger Blick zeugte davon, dass er blind war.
Vorsichtig ging ich auf den Mann zu. »Monsieur? Ihr kennt uns nicht, aber allem Anschein nach hält Radisset Euch hier gefangen, und wenn Ihr nichts dagegen einzuwenden habt, würden wir Euch gerne befreien!«
Langsam wandte der Mann sein Gesicht in die Richtung, aus der er meine Stimme vernommen hatte. »Wisst Ihr denn, wer ich bin?«, fragte er mit erstaunlich fester Stimme.
»Nein«, gab ich zögernd zu.
»Ich bin Simon Tubeaux, der Comte de Radisset«, erklärte er.
Verblüfft sahen wir uns an. Maddy war diejenige, die sich als Erste wieder fasste. »Das müsst Ihr uns alles noch genauer erklären«, verkündete sie. »Aber wenn Ihr gestattet, bringen wir Euch erst einmal hier heraus. Fühlt Ihr Euch kräftig genug für eine Flucht?«
Der zweite Comte de Radisset wandte den Kopf in ihre Richtung und zog ein grimmiges Gesicht. »Ich bekomme hier nur selten anständiges Blut zu trinken. Meistens speisen sie mich mit Ratten ab und auch das nur einmal in der Woche«, sagte er verächtlich.
»Dann nehme ich Euch huckepack, wenn es Euch recht ist«, beschloss Francisco. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Mit zittrigen Beinen stand der Blinde auf, um seine Bereitschaft für Franciscos Vorschlag zu signalisieren. Francisco nahm ihn auf den Rücken und stürmte hinaus.
Während Francisco mit dem Gefangenen bereits wieder über die Mauer verschwand, verteilten wir anderen uns im Festungshof, um Giles zu Hilfe zu eilen. Offensichtlich hatte der Mort-Vivant wie befohlen die Kutsche aus dem Graben gezogen und dann doch Zweifel an der Identität seines Herrn bekommen. Jedenfalls hatte er begonnen, Giles jetzt gemeinsam mit einem weiteren Mort-Vivant einzukreisen. Ich stieß einen schrillen Pfiff aus und die Mort-Vivants rissen die Köpfe herum. Mit einem Fauchen stürzten sie in meine Richtung, da stieß Maddy von einem anderen Ende des Hofes ebenfalls einen Pfiff aus und ebenso Félice und Miguel aus verschiedenen Ecken. Ehe sich die Mort-Vivants entscheiden konnten, auf wen sie sich zuerst stürzen sollten, waren wir allesamt mit Giles desgleichen
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