Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)
knappe Befehle, dann das knarrende Öffnen einer schweren Tür. Vorsichtig riskierte ich einen Blick und sah gerade noch, wie Radisset durch die Tür verschwand, die ein Mort-Vivant sodann sorgfältig hinter ihm abschloss.
Maddy und ich verharrten in der Nische hinter dem Mauervorsprung und lauschten. Ganz dumpf konnte man Radisset hinter der schweren Tür sprechen hören. Allerdings gelang es uns, weder seine Worte zu verstehen, noch nahmen wir eine weitere Stimme wahr. Der Comte de Radisset hatte doch wohl kaum diesen heimlichen nächtlichen Ausflug unternommen, um in dem Verlies einer entlegenen Festung Monologe zu halten?
Nach einer knappen Stunde sperrte der Mort-Vivant die Tür wieder auf und ließ Radisset heraus. Ich lugte erneut vorsichtig hinter dem Vorsprung hervor und sah, dass Radisset weder etwas bei sich trug, noch von jemandem begleitet wurde. Er ging, wie er gekommen war.
Nach einer Weile schlichen auch Maddy und ich wieder in den Innenhof der Festung, versteckten uns hinter dem Gebäude und besprachen das Gesehene.
»Wir müssen herausfinden, wer oder was sich hinter dieser Tür befindet«, flüsterte ich entschlossen.
Maddy nickte zustimmend. »Das Schloss dürfte kein Problem sein, aber der Mort-Vivant …«
»Nach allem, was wir wissen, ist er unverwundbar und er gehorcht den Befehlen Radissets bedingungslos«, überlegte ich düster. »Alleine werden wir es nicht schaffen, ihn zu überrumpeln. Wir müssen zunächst nach Paris zurück und mit den anderen sprechen.«
Da wir diesmal unser Ziel kannten und daher querfeldein laufen konnten, waren wir innerhalb einer Stunde in Paris zurück.
Inzwischen hatte die Morgendämmerung begonnen und wir bestellten unsere Mitstreiter zu einer Besprechung zu uns.
Kurz drauf hatten sich Francisco, Miguel, Giles und Félice in unserem großen Salon versammelt und lauschten aufmerksam unserem Bericht.
»Im Château de Caen sagt ihr?«, hakte Félice nachdenklich nach. »Dann hat Radisset bestimmt etwas zu verbergen. In die Festung hat sich seit Jahrzehnten schon niemand mehr verirrt.«
»Wir müssten den Mort-Vivant irgendwie ablenken und von dort fortlocken«, überlegte Giles stirnrunzelnd, »allerdings würde er sich wohl nur vom Comte de Radisset selbst weglocken lassen …«
»Warum gebt Ihr Euch nicht einfach als Radisset aus?«, stichelte Francisco. »Offenbar habt Ihr doch so viel Gefallen an Verkleidungen und Verstellung!«
Giles betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen.
»Das ist vielleicht gar keine so schlechte Idee«, schaltete sich da Miguel ein. »Die beiden haben in etwa dieselbe Statur.«
»So dumm sind die Mort-Vivants nun auch wieder nicht«, entgegnete Giles verächtlich. »Sobald ich vor ihm stehe und er meine Stimme hört, wird er den Schwindel bemerken!«
»Und wenn Ihr gar nicht so nahe herangeht?«, überlegte Maddy. »Radisset blafft seine Befehle an die Mort-Vivants immer in kurzen, knappen Worten heraus. Ihr könntet Euch an das untere Treppenende stellen und ihm befehlen, in den Festungshof zu kommen. So als wäret Ihr zu ungeduldig, um noch den langen Gang hinunterzukommen. Radisset hat mir damals glücklicherweise auch die beiden Schwachpunkte der Mort-Vivants verraten: Weder ihr Sehvermögen noch ihr Geruchssinn kann sich mit unserem messen, oftmals liegt beides sogar unter menschlichem Durchschnitt.«
»Es könnte funktionieren, Giles«, gab Félice zu bedenken.
Giles lächelte resigniert. »Also schön. Allerdings wird uns das nicht allzu viel Zeit verschaffen. Wie gedenkt ihr dann vorzugehen? Und was befindet sich eurer Ansicht nach überhaupt in diesem Verlies?«
Maddy und ich wechselten einen zögernden Blick. »Wir glauben, dass er jemanden dort gefangen hält«, antwortete ich dann. »Die Ansprache, die wir belauscht haben, klang einfach nicht nach einem Selbstgespräch. Wir könnten den Gefangenen befreien und erst einmal in Sicherheit bringen.«
Giles sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Und was denkt ihr, wen er dort gefangen hält? Einen Menschen? Oder einen Vampir? Und was ist, wenn der Gefangene sich gar nicht befreien lassen möchte?«
»Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich«, entgegnete ich schnippisch, »und bezüglich der Details werden wir halt improvisieren müssen.«
»Und wo sollen wir den Gefangenen hinbringen?«, fragte Francisco. »Unsere Stadthäuser kommen nicht in Frage, da dies zu auffällig wäre.«
»Wir könnten ihn im Benediktinerkloster auf Mont
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