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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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er. Er griff nach seinem Mantel und ging zur Tür. »Ich muß gehen. Wir sehen uns dann am Dienstag. Um zwei Uhr.«
In einer Ecke, an einer Fensterbank, hatte jemand eine Art Modell aufgebaut. Ragle blieb stehen und schaute es sich an.
»Das werden wir verwenden«, sagte Mrs. Keitelbein.
»Was ist das?« fragte er. Es sah aus wie die Darstellung eines Militärforts; ein hohles Quadrat, in dem man winzige Soldaten bei der Erfüllung ihrer Pflichten sehen konnte. Die Farben waren grünlichbraun und grau. Er berührte den Miniatur-Geschützlauf, der herausragte, und entdeckte, daß es sich um Holzschnitzerei handelte. »Ganz echt«, sagte er.
»Wir haben eine ganze Anzahl davon gebaut«, sagte Walter. »Die früheren Lehrgänge, meine ich. ZV-Lehrgänge voriges Jahr, als wir in Cleveland wohnten. Mutter hat sie mitgebracht; sonst wollte sie wohl keiner.« Er lachte wieder krähend. Es klang eher nervös als unfreundlich.
»Das ist eine Nachbildung von Fort Mormon«, sagte Mrs. Keitelbein.
»Na so was«, sagte Ragle. »Das interessiert mich. Ich war im Zweiten Weltkrieg, wissen Sie. Im Pazifik.«
»Ich erinnere mich dunkel, von Ihnen gelesen zu haben«, sagte Mrs. Keitelbein. »Daß Sie so berühmt sind ... ab und zu stoße ich in den Zeitschriften auf einen kleinen Artikel über Sie. Halten Sie nicht irgendeinen Rekord als der häufigste Sieger in irgendeinem Zeitungs- oder Fernseh-Preisausschreiben?«
»Kann schon sein«, sagte er.
»Haben Sie im Pazifik schwere Kämpfe mitgemacht?« fragte Walter.
»Nein«, sagte er offen. »Ich und noch einer, wir saßen auf einem Klumpen Erde mit ein paar Palmen und einer Wellblechbaracke darauf und bedienten einen Sender und Wetterinstrumente. Er beobachtete das Wetter, und ich gab die Meßergebnisse weiter an eine Marineeinrichtung ein paar hundert Meilen südlich von uns. Das nahm am Tag ungefähr eine Stunde in Anspruch. Den Rest des Tages lag ich herum und versuchte, mir über das Wetter klarzuwerden. Ich sagte immer voraus, wie es werden würde. Das war nicht unsere Aufgabe. Wir schickten nur die Meßergebnisse, und die Vorhersagen machten sie selber. Aber ich begann das zu beherrschen. Ich konnte zum Himmel hinaufsehen, und mit den Meßdaten zusammen wußte ich genug, so daß ich öfter richtig tippte als falsch.«
»Das Wetter war für Marine und Heer sicher sehr wichtig«, sagte Mrs. Keitelbein.
»Ein Sturm konnte ein Landeunternehmen ruinieren, einen Konvoi von Nachschubtransportern auseinanderreißen, also den Kriegsverlauf beeinflussen.«
»Vielleicht haben Sie daher die Übung«, sagte Walter. »Für das Preisausschreiben. Wetten über das Wetter.«
Ragle lachte.
»Ja«, sagte er. »Das haben er und ich gemacht; Wetten darüber abgeschlossen. Ich sagte, es würde um zehn Uhr regnen, und er wettete dagegen. Damit verbrachten wir an die zwei Jahre. Damit, und mit Biertrinken. Wenn sie uns einmal im Monat unsere Rationen brachten, bekamen wir auch eine Zuteilung Bier – Zuteilung für einen ganzen Zug, wie wir meinten. Der einzige Haken dabei war, wir konnten es nicht kühlen. Warmes Bier, Tag für Tag.« Wie ihn das in die Vergangenheit zurückführte. Zwölf, dreizehn Jahre zurück ... Er war dreiunddreißig Jahre alt gewesen. Er war angestellt in einer Dampfwäscherei, als der Gestellungsbefehl im Briefkasten gelegen hatte.
»Hör mal, Mama«, sagte Walter aufgeregt. »Ich habe eine ganz gute Idee. Wie wäre es, wenn Mr. Gumm dem ganzen Lehrgang von seinen Erlebnissen beim Militär berichtet? Er könnte ein Gefühl der inneren Beteiligung bei ihnen auslösen; die Dringlichkeit der Gefahr und so, du weißt schon. Er weiß wahrscheinlich noch eine Menge von dem, was die Soldaten in der Grundausbildung gelernt haben über Sicherheit und in Notsituationen.«
»Das war schon so ziemlich alles, was ich erzählt habe«, meinte Ragle.
»Aber Sie kennen vielleicht Dinge, die sich andere erzählt haben, über Luftangriffe und Bombardierungen«, sagte Walter beharrlich. »Sie müssen das ja nicht selbst erlebt haben.«
Jungen sind alle gleich, dachte Ragle. Walter redete fast genauso daher wie Sammy. Er war zehn, der Junge hier vielleicht sechzehn. Aber er konnte beide gut leiden. Und er faßte das als Kompliment auf.
Ruhm, dachte er. Das ist meine Belohnung dafür, daß ich der größte Gewinner in der Geschichte der Preisausschreiben bin. Jungen zwischen zehn und sechzehn Jahren halten mich für etwas Besonderes.
Es belustigte ihn, und er sagte: »Ich werde meine

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