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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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»Okay, wartet ab. Was?« Sehr lange Stille. »Nichts mehr von 2,8. 2,8. Verstanden? Nordost. Okay. Okay. Richtig.«
Er schaute auf seine Mickymaus-Armbanduhr. Es war fast 3.36 Uhr; seine Uhr ging nicht ganz genau.
In diesem Augenblick ließ ihn ein fernes Dröhnen am Himmel über dem Klubhaus erzittern. Und gleichzeitig sagte die Stimme in seinem Kopfhörer: »Habt ihr das? Ja, ich sehe, wie die Richtung gewechselt wird. Okay, das wäre alles für heute nachmittag. Schluß jetzt. Ja. Okay. Schalte ab.«
Die Stimme verstummte.
Mensch, dachte Sammy. Warte, bis Pa und Onkel Ragle das hören.
Er nahm die Kopfhörer ab, rannte hinaus durch den Hof und ins Haus.
»Ma!« schrie er, »wo ist Onkel Ragle? Ist er im Wohnzimmer beim Arbeiten?«
Seine Mutter war in der Küche und schrubbte die Spüle.
»Ragle ist weggegangen, um seine Lösung aufzugeben«, sagte sie. »Er war früh fertig.«
»Ach Mist!« schrie Sammy enttäuscht.
»Na, na, junger Mann«, sagte seine Mutter.
»Och«, murmelte er, »ich hab’ eine Rakete oder so was in meinem Empfänger, und das hätte er sich anhören sollen.« Er lief herum und wußte nicht, was er tun sollte.
»Soll ich es mir anhören?« fragte seine Mutter.
»Na gut«, sagte er wenig begeistert. Er entfernte sich vom Haus, und seine Mutter folgte ihm.
»Ich kann nur ein paar Minuten zuhören«, sagte sie. »Dann muß ich wieder ins Haus. Hab’ vor dem Essen noch viel zu tun.«
    Um vier Uhr gab Ragle Gumm seine Lösungen im Hauptpostamt als Einschreiben auf. Zwei Stunden vor Fristablauf, sagte er sich. Das zeigt, was ich schaffe, wenn es sein muß.
Er fuhr mit dem Taxi zurück, stieg aber nicht vor dem Haus aus, sondern schon an der Ecke, an dem alten, zweistöckigen grauen Gebäude mit der schiefen Veranda.
Keine Gefahr, daß Margo uns überrascht, dachte er. Sie kommt kaum bis nebenan.
Er stieg die steile Treppe zur Veranda hinauf und läutete. Irgendwo im Haus, hinter dem Spitzenvorhang an der Tür, im langen, hohen Flur, schrillte es.
Eine Gestalt näherte sich. Die Tür wurde geöffnet.
»Oh, Mr. Gumm«, sagte Mrs. Keitelbein. »Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, an welchem Tag der Lehrgang stattfindet.«
»Richtig«, sagte er. »Ich bin zufällig vorbeigekommen und wollte Sie fragen.«
»Zweimal in der Woche. Am Dienstag um zwei und am Donnerstag um drei Uhr. Das kann man sich leicht merken.«
»Haben Sie Glück gehabt mit dem Anwerben von Leuten?« fragte er vorsichtig.
»Nicht allzu viel«, sagte sie mit schiefem Lächeln. Heute wirkte sie nicht so erschöpft; sie trug ein blaugraues Kittelkleid, flache Schuhe, und es fehlte ihr die Zerbrechlichkeit, die Aura der alten Jungfer, die einen kastrierten Kater hält und Kriminalromane liest. Heute erinnerte sie ihn eher an eine aktive Kirchgängerin, die für die Wohlfahrt tätig ist. Die Größe des Hauses, die Anzahl der Klingelknöpfe und Briefkästen deuteten darauf hin, daß sie zumindest einen Teil ihres Einkommens aus Vermietung bestritt. Anscheinend hatte sie ihr altes Haus in mehrere Wohnungen aufgeteilt.
»Fällt Ihnen vielleicht auf Anhieb jemand ein, den Sie angeworben haben und den ich kenne?« sagte er. »Es würde mir vielleicht Selbstvertrauen verschaffen, wenn ich im Lehrgang jemanden kenne.«
»Ich müßte in meiner Liste nachsehen«, sagte sie. »Möchten Sie hereinkommen und einen Augenblick warten, ich werde nachsehen.«
»Gewiß«, sagte er.
Mrs. Keitelbein ging durch den Flur in das Zimmer am anderen Ende. Als sie nicht wieder auftauchte, folgte er ihr.
Die Größe des Raumes überraschte ihn; es war ein riesengroßer, leerer Saal mit einem Kamin, der auf Gas umgestellt war, einem Lüster an der Decke, zusammengerückten Stühlen an einer Seite, einer Anzahl von gelbgestrichenen Türen an einer Wand und hohen, breiten Fenstern an der anderen. Mrs. Keitelbein stand an einem Bücherregal und hatte ein Buch in der Hand.
»Ich kann sie nicht finden«, sagte sie entwaffnend und klappte das Buch wieder zu. »Ich habe mir alle Namen aufgeschrieben, aber in dem Durcheinander ...« Sie wies auf die Unordnung im Raum. »Wir versuchen, alles für die erste Versammlung herzurichten. Die Stühle, etwa. Wir haben nicht genug Stühle. Und wir brauchen eine Wandtafel ... aber die Grundschule hat uns eine versprochen.« Plötzlich griff sie nach seinem Arm. »Mr. Gumm, hören Sie«, sagte sie. »Ich möchte einen schweren Eichenschreibtisch aus dem Keller heraufholen. Ich versuche schon den ganzen Tag, jemanden zu finden, der

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