Zeitlose Zeit
aber zu schwach, als daß Worte zu verstehen gewesen wären.
Vielleicht brauche ich eine bessere Antenne, dachte er.
Mehr Draht.
Er verließ das Klubhaus, sperrte es ab und streifte auf der Suche nach Draht durch den Hof. Er steckte den Kopf in die Garage. Am anderen Ende stand die Werkbank seines Vaters. Er begann an dem einen Ende der Bank, und bis er das andere erreichte, hatte er eine große Rolle stählern aussehenden Draht ohne Isolierung gefunden, vermutlich zum Anbringen von Bildern oder einer metallenen Wäscheleine, wenn sein Vater je dazu kommen sollte. Den werden sie nicht vermissen, entschied er.
Er trug den Draht zum Klubhaus, stieg an der Seite hinauf aufs Dach und befestigte den Draht an der Antenne. Aus den beiden Drähten machte er eine riesige Antenne, die durch den ganzen Hof führte.
Vielleicht gehört sie in die Höhe, dachte er.
Er fand einen schweren Dorn, befestigte das freie Ende der Antenne daran, holte aus und warf den Dorn auf das Hausdach. Die Antenne hing durch. Taugt nichts, dachte er. Muß gespannt sein.
Er ging ins Haus zurück und stieg die Treppe hinauf. Ein Fenster öffnete sich auf den flachen Teil des Daches; er öffnete es und kroch hinaus.
Seine Mutter rief von unten: »Sammy, du steigst doch nicht aufs Dach, oder?«
»Nein«, brüllte er. Ich bin schon draußen, sagte er sich mit feiner Unterscheidung. Der Dorn mit der Antenne lag auf dem Schrägdach, aber als er sich flach hinlegte und langsam vorschob, vermochte er ihn zu fassen. Wo anbringen?
Die einzige passende Stelle war die Fernsehantenne.
Er befestigte sein Ende der Antenne am Metallrohr des Antennenmastes, und fertig. Schnell kroch er zurück ins Haus, lief die Treppe hinunter und stürzte auf den Hof hinaus.
Nach kurzer Zeit saß er am Tisch vor dem Empfänger und drehte den Abstimmknopf.
Diesmal war die Männerstimme im Kopfhörer deutlich zu vernehmen. Und ein ganzes Gewirr von anderen Stimmen plapperte dazwischen; seine Hände zitterten vor Erregung, als er sie trennte. Er suchte sich die lauteste aus.
Irgendein Gespräch war im Gange. Er geriet mitten dazwischen.
»... die langen, die wie Brotstangen aussehen. Man bricht sich fast die Vorderzähne ab, wenn man hineinbeißt. Ich weiß nicht, wofür sie gedacht sind. Vielleicht für Hochzeiten, wenn viele Leute kommen, die man nicht kennt, und wenn lange vorhalten soll, was man anbietet ...«
Der Mann sprach ganz gemächlich, mit Pausen.
»...nicht die Härte, sondern der Anis. Überall ist der, sogar in denen aus Schokolade. Es gibt eine weiße Sorte mit Nüssen. Mir fallen da immer die ausgebleichten Schädel ein, die man in der Wüste findet ... Klapperschlangenschädel, Kaninchenschädel ... von kleinen Säugetieren. Was für ein Bild, was? In einen fünfzig Jahre alten Klapperschlangenschädel beißen ...« Der Mann lachte, auch das gemächlich, beinahe ein echtes Ha-ha-ha. »Na, das wäre so ungefähr alles, Leon. Ach, noch etwas. Du weißt, was dein Bruder Jim gesagt hat, daß Ameisen an heißen Tagen schneller laufen? Ich habe nachgeschlagen und kann nichts darüber finden. Frag ihn, ob er seiner Sache sicher ist, weil ich hingegangen bin und mir zwei Stunden lang Ameisen angesehen habe, seit unserem letzten Gespräch, und als es richtig heiß wurde, schienen sie immer noch mit der gleichen Geschwindigkeit herumzulaufen.«
Versteh’ ich nicht, dachte Sammy.
Er drehte weiter am Knopf, bis sich eine andere Stimme klar herausschälte. Sie sprach schneller.
»...CQ, rufe CQ, hier spricht W 3840-Y, rufe CQ; rufe CQ. Hier spricht W 3840-Y. Frage, ist da ein CQ; ist da ein CQ, irgend jemand? W 3840-Y verlangt ein CQ; CQ; CQ. Hier W 3840-Y, rufe CQ; CQ; bitte melden, CQ. Ist da ein CQ? Hier W 3840-Y, rufe CQ; CQ ...« So ging das immer weiter. Er drehte am Knopf.
Die nächste Stimme tönte so langsam, daß er fast auf der Stelle aufgab.
»...nein ... nein ... noch einmal ... was? ... zur ... nein, ich glaube nicht ...«
Das ist doch alles nur Käse, dachte er enttäuscht. Aber wenigstens funktionierte der Apparat jetzt.
Er versuchte es weiter.
Quietschen und Zischen ließ ihn zusammenzucken. Dann schnelle dit-dit-Töne. Morsen, erkannte er. Wahrscheinlich von einem untergehenden Schiff im Atlantik, während die Besatzung durch brennendes Öl zu rudern versuchte.
Das nächste war besser.
»... genau um 3.36 Uhr. Ich peile das für euch an.« Lange Stille. »Ja, peile ich von hier aus. Ihr braucht nur abzuwarten.« Stille. »Ja, abwarten. Verstanden?« Stille.
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