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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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auf, sonst könnt ihr verschwinden«, sagte die Kellnerin.
»Krawatten-Typ«, sagte der Bursche zu ihr. Wieder steckte er die Daumen in die Ohren. Die Kellnerin schien nicht beeindruckt zu sein.
Ich kann es nicht aushalten, dachte Ragle. Ich steh’ das nicht durch. Der Fahrer hat recht gehabt.
»Gehen wir«, sagte er zu Vic.
»Gut.« Vic stand auf, griff nach seinem Brot, leerte die Tasse und ging zur Tür.
Und jetzt die Rechnung, dachte Ragle. Es ist aus mit uns. Wir können nicht gewinnen.
»Wir müssen gehen«, sagte er zur Kellnerin. »Lassen Sie den Kuchen. Wieviel?« Er kramte in seiner Tasche, eine nutzlose Geste.
Die Kellnerin addierte.
»Elf-Neun«, sagte sie.
Ragle klappte die Brieftasche auf. Die beiden Burschen schauten zu. Die Kellnerin auch. Als sie das Geld sahen, die Banknoten aus Papier, sagte die Kellnerin: »O je. Papiergeld habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Es gilt ja wohl noch.« Sie wandte sich an den ersten Burschen. »Ralf, löst der Staat die alten Papierscheine noch ein?«
Der Junge nickte.
»Warten Sie«, sagte die Kellnerin. Sie rechnete um. »Das macht dann einsvierzig«, sagte sie. »Aber herausgeben muß ich mit Marken, wenn Ihnen das recht ist.« Sie nahm eine Handvoll kleiner Plastikplättchen aus der Kasse, und als er ihr einen Fünf-Dollar-Schein gab, bekam er sechs Plättchen zurück. »Danke«, sagte sie.
Als er und Vic gingen, setzte sich die Kellnerin und begann in einem Taschenbuch zu lesen.
»Was für eine Strapaze«, sagte Vic. Sie aßen ihre Brote unterwegs auf. »Diese Burschen. Diese schrecklichen Kerle.«
Irrer, dachte Ragle. Haben sie mich erkannt?
An der Ecke blieben sie stehen.
»Was nun?« sagte Vic. »Die Marken können wir jedenfalls gebrauchen.« Er ließ das Feuerzeug aufspringen, um sich eines der Plättchen anzusehen. »Offenbar Ersatz für Metall. Sehr leicht. Wie die Lebensmittelmarken im Krieg.«
Ja, dachte Ragle. Lebensmittelmarken für Kriegszeiten. Münzen aus irgendeiner Legierung, nicht Kupfer. Und jetzt Marken.
»Aber es gibt keine Verdunklung«, sagte er. »Alle Lichter brennen.«
»Es ist nicht mehr dasselbe«, sagte Vic. »Früher ...« Er verstummte. »Ich verstehe das nicht. Ich erinnere mich an den Zweiten Weltkrieg. Aber das ist gar nicht richtig, wie? Das ist der springende Punkt. Das ist fünfzig Jahre her. Bevor ich auf die Welt kam. Ich habe in den dreißiger und vierziger Jahren noch gar nicht gelebt. Du auch nicht. Alles, was wir darüber wissen – sie müssen es uns beigebracht haben.«
»Oder wir haben es gelesen«, sagte Ragle.
»Wissen wir jetzt nicht genug?« sagte Vic. »Wir sind draußen. Wir haben es gesehen.« Er schauderte. »Sie hatten ihre Zähne zugefeilt.«
»Das war beinahe Pidgin-Englisch, was sie gesprochen haben.«
»Kann sein.«
»Und afrikanische Stammesabzeichen. Und die Kleidung.« Aber sie haben mich angesehen, und einer sagte: He, Irrer. »Sie wissen Bescheid«, sagte er. »Über mich. Aber es stört sie nicht.« Aus irgendeinem Grund beunruhigte ihn das noch mehr. Zuschauer. Die zynischen, höhnenden jungen Gesichter.
»Erstaunlich, daß sie nicht beim Militär sind«, meinte Vic.
»Da kommen sie sicher noch hin.« Die Burschen waren ihm nicht alt genug erschienen. Höchstens sechzehn oder siebzehn.
Während sie an der Ecke standen, hallten Schritte durch die dunkle, verlassene Straße.
Zwei Gestalten näherten sich.
»He, Irrer«, sagte eine von ihnen. Sie traten gemächlich ins Licht an der Kreuzung, die Arme verschränkt, die Gesichter leer und unpersönlich. »Mach schön Halt-Halt.«
    13
    Der Bursche auf der linken Seite griff in sein Gewand und zog ein Lederetui heraus. Er entnahm ihm eine Zigarre und eine kleine goldene Schere; er schnitt ein Ende der Zigarre ab und steckte die Zigarre in den Mund. Sein Begleiter holte mit demselben Zeremoniell ein mit Edelsteinen verziertes Feuerzeug heraus und gab seinem Freund Feuer.
Der Zigarrenraucher sagte: »Krawatten-Typen, ihr habt ›Totes Moos‹ dabei. Die Bedienlady hat Falsch-Falsch gemacht.«
Die meinen das Geld, begriff Ragle endlich. Die Kellnerin hätte es nicht annehmen dürfen. Die Burschen hatten sie zwar dazu aufgefordert, aber sie wußten, was schon der Lastzugfahrer gewußt hatte: Die Scheine waren außer Kurs.
»Na und?« fragte Vic, der ihren fürchterlichen Jargon kaum verstand.
Der Junge mit dem Feuerzeug sagte: »Große Chefs müssen geben. Nein. Nein. So!« Er streckte die Hand aus. »Große Chefs müssen geben. Krawatten-Typen

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