Zeitoun (German Edition)
Telefonate abgeschirmt hatte, wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Kathy ging ran.
Ein Mann stellte sich als Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums vor. Er bestätigte, dass Zeitoun im Elayn Hunt Correctional Center war.
»Es geht ihm gut, Ma’am. Wir haben kein Interesse mehr an ihm.«
»Sie haben kein Interesse mehr an ihm? Ist das gut oder schlecht?«
»Das ist gut.«
»Aber wieso war er überhaupt da drin?«
»Tja, in seiner Akte steht ›Plünderei‹. Aber diese Anklage wird fallen gelassen.«
Der Anruf war kurz und geschäftsmäßig. Als sie auflegte, pries Kathy Gott und dankte ihm für seine Gnade. Sie kreischte und hüpfte mit Yuko im Haus herum.
»Ich hab gewusst, dass er noch lebt«, sagte Yuko. »Ich hab’s gewusst.«
Sie riefen Yukos Mann an und nahmen sich vor, die Kinder früher von der Schule abzuholen. Sie mussten feiern. Und planen. Es gab so vieles zu tun.
Vor allem musste Kathy zu dem Gefängnis. Sie wusste, dass sie dorthin musste. Sie musste noch am selben Tag aufbrechen. Sie wusste noch nicht, wo das Gefängnis war, aber sie musste dahin. Wo war es? Sie suchte es im Internet. St. Gabriel, keine Autostunde von Baton Rouge entfernt.
Sie rief in Hunt an und wurde etliche Male automatisch weiterverbunden, bis sie schließlich eine Person am Apparat hatte. Sie konnte kaum sprechen. Sie wollte durchs Telefon fliegen und bei ihm sein.
»Ich versuche, meinen Mann zu erreichen. Er ist bei Ihnen.«
»Name des Häftlings?«, fragte die Frau.
Kathy musste einmal durchatmen. Sie ertrug es nicht, dass ihr Mann als Häftling bezeichnet wurde. Indem sie seinen Namen nannte, setzte sie die Lüge all jener fort, die bislang an Zeitouns Inhaftierung beteiligt gewesen waren.
»Abdulrahman Zeitoun«, sagte sie und buchstabierte.
Kathy hörte, wie auf einer Computertastatur getippt wurde.
»Den haben wir hier nicht«, sagte die Frau.
Kathy buchstabierte den Namen erneut.
Erneutes Tippen.
»Hier ist niemand mit diesem Namen«, beteuerte die Frau.
Kathy versuchte, ruhig zu bleiben. Sie sagte der Frau, dass sie soeben einen Anruf von jemandem aus dem Heimatschutzministerium erhalten hatte und dass dieser Mann ihr gesagt hatte, Abdulrahman Zeitoun sei in genau diesem Gefängnis.
»Bei uns ist er nicht registriert«, sagte die Frau. Dann erklärte sie, dass Hunt niemanden registriert hatte, der im Zuge des Hurrikans eingeliefert worden war. Keiner der Häftlinge aus New Orleans war in ihrem Computersystem. »Über diese Leute gibt es nur schriftliche Unterlagen, und die haben wir nicht. Für die ist die FEMA zuständig.«
Kathy stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Sie war ratlos, hilflos. Sie hatte keine Telefonnummer von dem Mann aus dem Heimatschutzministerium, der sie angerufen hatte. Sie machte sich bittere Vorwürfe, dass sie ihn nicht gefragt hatte, wie sie ihn erreichen konnte. Und jetzt wurde ihr gesagt, ihr Mann wäre gar nicht in dem Gefängnis, in dem die Leute vom Heimatschutzministerium und der Missionar ihn gesehen hatten. War das alles irgendein Spiel? War er überhaupt dort gewesen? Vielleicht hatte man ihn schon verlegt. Er war als Häftling in Hunt gewesen, aber dann hatte eine andere Behörde ihn abgeholt. Er war in irgendein Geheimgefängnis Gott weiß wo geschafft worden –
Sie musste dahin. Sie würde zum Hunt Correctional Center fahren und darauf bestehen, ihn zu sehen. Sie hatte ein Recht darauf, ihn zu sehen. Falls er nicht da war, würde sie von den Leuten dort verlangen, dass sie ihr sagten, wohin er gebracht worden war. Einen anderen Weg gab es nicht.
Sie sagte Yuko und Ahmaad, dass sie losmüsste.
»Wohin?«, fragten sie.
»Hunt. Das Gefängnis«, sagte sie.
Sie fragten, ob sie sicher sei, dass er auch wirklich da war. Nein, war sie nicht. Sie fragten, ob sie sicher sei, dass man ihr einen Besuch gestatten würde. Nein, war sie nicht. Sie fragten, wo sie wohnen wollte. Kathy wusste es nicht. Sie weinte schon wieder. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Sie überredeten sie, vorläufig in Phoenix zu bleiben, bis sie sicher wusste, wo Zeitoun sich befand und wie sie ihm wirklich helfen konnte. Kathy musste jetzt einen klaren Kopf bewahren, sagten sie. Sie wollten sich nicht auch noch um sie sorgen müssen.
Kathy rief Raleigh Ohlmeyer an, einen Anwalt, der schon einige Male für die Zeitouns tätig gewesen war. Raleigh hatte einigen von ihren Mitarbeitern bei juristischen Problemen geholfen. Raleighs Vater war ein bekannter und einflussreicher Anwalt
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