Zeitoun (German Edition)
jedenfalls fest: Ich würde mir nicht wünschen, dass mir so was passiert.«
Gonzales erläuterte, wie das System eigentlich funktionieren sollte: Polizeibeamte ermitteln, nehmen Festnahmen vor und übergeben die Sache dann der Justiz. Unter normalen Umständen hätte man den Männern ihr Recht gewährt, einen Anruf zu tätigen und einem Haftrichter vorgeführt zu werden, so beteuerte er.
»Man hätte ihnen erlauben müssen, jemanden anzurufen«, sagte er.
Lima war schwieriger zu finden, aber er war nicht weit entfernt. Er hatte 2005 seinen Dienst bei der Polizei von New Orleans quittiert und lebte nun in Shreveport, Louisiana.
Er wusste, dass Zeitoun und die anderen eine Weile im Gefängnis gesessen hatten. Er wusste über Zeitouns Fall Bescheid, weil ihm bei der Eröffnung des Verfahrens die entsprechenden Papiere zugestellt worden waren. Er wusste nicht, wie lange die anderen Männer im Gefängnis geblieben waren. Er habe nichts mit ihrer Inhaftierung zu tun gehabt, betonte er, sondern nur die Festnahme vorgenommen.
Zur Zeit von Katrina wohnte er in einem gut vierhundertfünfzig Quadratmeter großen Haus auf der Napoleon Avenue. Während des Sturms und in der Zeit danach blieb er mit Angehörigen in der Stadt und bewachte sein Haus. Er hatte zwei Generatoren und ausreichend Wasser und Lebensmittel für drei Wochen. Er hatte außerdem über vierzig Pistolen und Automatikgewehre. Tagsüber durchstreifte er die Stadt mit Polizeikollegen und Nationalgardisten, rettete Menschen. Jeden Tag kam er mit anderen Ordnungskräften zusammen, und sie entwarfen Einsatzpläne, sprachen Aufgaben und Einsatzgebiete ab.
Die Nationalgardisten hatten zwar jede Menge Benzin, doch dafür fehlte es ihnen an anderen Dingen. Im Austausch für Benzin brachen Lima und einige Kollegen in Lebensmittelläden ein und raubten Zigaretten und Kautabak. Die Mehrzahl der Nationalgardisten kaute Tabak und rauchte Marlboro, sodass diese Regelung beiden Seiten zugutekam. Lima betrachtete die Einbrüche als notwendigen Teil seiner Mission. Das Benzin, so sagte er, ermöglichte es ihnen, Rettungsmaßnahmen durchzuführen. Außerdem brauchte er es für seine Generatoren zu Hause. Wenn er keine Nationalgardisten fand, die Benzin hatten, zapfte Lima es von Pkws und Pick-ups ab. Sein Hals war ganz entzündet vom vielen Saugen an Abzapfschläuchen, sagte er.
»Es herrschte die reinste Anarchie«, sagte er.
Als Lima eines Tages in einem Motorboot seine Runden drehte, beobachtete er vier Männer, die mit gestohlenen Waren aus einem Walgreens-Drogeriemarkt kamen. Sie luden die Beute in ein blau-weißes Motorboot. Lima hatte zwei geborgene Personen bei sich, daher konnte er die Diebe nicht sofort verfolgen, behielt die Sache aber im Kopf. Er machte weiter seine Runden, sah Leichen und wurde von wütenden Bürgern beschimpft, von denen viele bewaffnet waren.
»Ich war gefühlsmäßig völlig durch den Wind«, sagte er.
Zwei Tage später kam er an einem Haus auf der Claiborne vorbei und sah dasselbe blau-weiße Motorboot an der Veranda vertäut. Er raste zur Napoleon/St.-Charles-Sammelstelle und trommelte einen Trupp aus Polizei und Militär zusammen. Sie waren »schwer bewaffnet«, mit Handfeuerwaffen und M-16. Er kannte die anderen vier Männer und die Frau nicht, die mit ihm an dem Einsatz teilnahmen. Gemeinsam fuhren sie in einem Flachboot zu dem Haus. Lima war der leitende Polizist bei der Festnahme.
Als sie das Haus betraten, sahen sie auf dem Esstisch Gegenstände, die sie für Diebesgut hielten. Sie trafen vier Männer an, und irgendetwas an den vieren, überhaupt die ganze Szene, kam ihnen suspekt vor. Lima war sicher, dass es dieselben Männer waren, die er aus dem Walgreens-Laden hatte kommen sehen, also nahm er sie fest und brachte sie zu der Sammelstelle.
»Es war eine ziemlich routinemäßige Festnahme«, sagte er. »Die vier waren ganz ruhig.«
Sie übergaben die Männer an die Nationalgardisten, und die verfrachteten sie in einen weißen Van. Lima füllte das Festnahmeprotokoll aus und gab es den Nationalgardisten, die die Festgenommenen dann nach Camp Greyhound brachten. Später fuhr Lima selbst dorthin und sah die Habe der Männer auf einem Tisch ausgebreitet. Er sah Todds Straßenkarten, Nassers Bargeld und die Speicherkarte. »Die hatten irgendetwas vor«, sagte er.
Lima wusste nicht, welche Waren die vier Männer, die er aus dem Walgreens-Laden hatte kommen sehen, bei sich gehabt hatten. Und in dem Haus auf der Claiborne hatte er
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