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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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keine Waren gesehen, die Walgreens normalerweise im Sortiment hatte. Er sicherte das Haus nicht als Tatort ab, und es wurden keine gestohlenen Waren sichergestellt. Aber er war überzeugt, dass die Männer in dem Haus irgendetwas auf dem Kerbholz hatten, wenngleich der Ausnahmezustand in New Orleans es unmöglich machte, so gründlich vorzugehen, wie es ihm lieb gewesen wäre.
    Und auch die Vorgehensweise nach der Festnahme war weder üblich noch gerecht, sagte er. Normalerweise wären sie einem Haftrichter vorgeführt worden, sagte Lima, hätten jemanden anrufen dürfen und einen Anwalt zur Verfügung gestellt bekommen, sodass sie innerhalb weniger Tage gegen Kaution wieder auf freiem Fuß gewesen wären. Als er noch Polizist war, hatte ihn das Drehtürprinzip des Rechtssystems frustriert. Wenn er morgens jemanden festgenommen hatte, war der manchmal am Nachmittag wieder freigekommen. Das konnte einen als Polizisten schon verrückt machen, aber er räumte ein, dass dieses ausgleichende Kontrollsystem in diesem Fall nützlich gewesen wäre.
    »Man hätte ihnen erlauben müssen, jemanden anzurufen«, sagte er.
    Lima verließ die Polizei von New Orleans im November 2005 und zog mit Frau und Tochter nach Shreveport. Eine Zeit lang arbeitete er bei der dortigen Polizei, aber er wurde seiner Meinung nach »wie ein Bürger zweiter Klasse behandelt«. Die Kollegen in Shreveport gingen davon aus, dass sämtliche Cops in New Orleans korrupt seien, sagte er. Also kündigte er und beschloss, sich beruflich neu zu orientieren. Ehe er zur Polizei ging, war er Börsenmakler gewesen, und er dachte darüber nach, wieder in seinen alten Beruf zurückzukehren.
    Die Zeitouns reagierten mit gemischten Gefühlen auf die Stellungnahmen von Lima und Gonzales. Einerseits fanden sie es tröstlich, dass die beiden Polizisten nicht gezielt einen Mann gejagt und festgenommen hatten, weil er aus dem Nahen Osten stammte. Andererseits war es beunruhigend, dass Zeitouns Martyrium stattdessen durch allgemeine Ignoranz und Unfähigkeit verursacht worden war – sowie möglicherweise durch eine schon lange schwelende Paranoia seitens der Nationalgarde und anderer verantwortlicher Behörden. Kurz gesagt, es ließ sich nicht schlicht und einfach damit erklären, dass ein oder zwei Beteiligte nichts taugten. Nein, das System an sich taugte nichts.
    Kurz darauf schickte eine Freundin Kathy per E-Mail ein Dokument, das offenbar ein Licht auf die Befindlichkeit der Soldaten und Ordnungshüter der unterschiedlichen Behörden warf, die damals in New Orleans tätig waren.
    Die Katastrophenschutzbehörde FEMA war jahrzehntelang eine autonome Behörde gewesen, aber nach dem 11. September in das Heimatschutzministerium eingegliedert worden. Ursprünglich war der Katastrophenschutzbehörde eine große Machtfülle zur Bekämpfung nationaler Notsituationen zugesprochen worden. Sie konnte den Oberbefehl über sämtliche Polizei-, Feuerwehr- und Rettungseinsätze übernehmen. Genau das geschah nach Katrina, als die FEMA notgedrungen die Verantwortung für die Evakuierung sämtlicher Gefangener aus New Orleans übernahm. Und somit fielen die Gefangenen, Zeitoun eingeschlossen, in die Zuständigkeit des Heimatschutzministeriums.
    Anscheinend wurde, während Katrina auf die Golfküste zuhielt, ein vierseitiges Dokument an die Strafverfolgungsbehörden in den betroffenen Gebieten und an die Einheiten der Nationalgarde, die Richtung Golfregion unterwegs waren, gefaxt und gemailt. Dieses Dokument, das das Heimatschutzministerium schon 2003 herausgegeben hatte, war von einer sogenannten »red cell« verfasst worden, also einer Kommission, die speziell ins Leben gerufen wird, um Notfallpläne und US-Bedienstete zu testen. Sie setzte sich aus Vertretern des Heimatschutzministeriums, der CIA, der Marine, privater Sicherheitsfirmen und der Sandia National Laboratories, also der Forschungs- und Entwicklungssparte des Energieministeriums, zusammen.
    Die Kommission hatte den Auftrag, »Vermutungen darüber anzustellen, wie ein schwerer Hurrikan für Terrorzwecke instrumentalisiert werden könnte«. Und obwohl die Autoren einräumten, es sei unwahrscheinlich, dass Terroristen während eines Hurrikans oder kurz danach zuschlagen würden, führten sie zahlreiche Möglichkeiten auf, wie dies dennoch geschehen könnte. »Während des Hurrikan-Zyklus wären unterschiedliche Arten von Angriffstypen denkbar – Geiselnahmen, Angriffe auf Schutzräume, Cyberattacken, Infiltration von

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