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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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gestanden haben mochten und wer bereit gewesen war, einen Tag nach dem Hurrikan so lange zu arbeiten, aber die Antwort auf diese Frage ist ziemlich einleuchtend. Für die Arbeit waren Häftlinge aus zwei Gefängnissen rekrutiert worden, dem Dixon Correctional Institute in Jackson, Louisiana, und dem Louisiana State Penitentiary in Angola.
    Angola, das größte Gefängnis des Landes, entstand auf einer rund 7000 Hektar großen ehemaligen Plantage, auf der einst Sklaven schufteten. Es beherbergt verurteilte Schwerverbrecher und gilt seit Langem als das gefährlichste und hoffnungsloseste Gefängnis der Vereinigten Staaten. Die durchschnittliche Haftdauer der fünftausend Männer, die dort einsitzen, beträgt 89,9 Jahre. Früher mussten die Häftlinge für vier Cent die Stunde Schwerstarbeit leisten, zum Beispiel Baumwolle pflücken. Während eines Massenprotestes vor etlichen Jahrzehnten schnitten sich einunddreißig Insassen die Achillessehnen durch, um nicht zur Arbeit geschickt zu werden.
    Zum Zeitpunkt des Hurrikans fürchtete Marlin Gusman, der Sheriff des Landkreises Orleans, eine Überflutung des Orleans Parish Prison, das vor allem als Untersuchungsgefängnis diente. Also rief er Burl Cain an, den Direktor von Angola. Sie vereinbarten, auf höher gelegenem Gelände ein provisorisches Gefängnis zu errichten. Direktor Cain ließ Ersatzzäune und mobile Toiletten, die auf dem Gelände von Angola lagerten, mit Lastwagen nach New Orleans schicken, wo sie, zwei Tage nachdem der Hurrikan über die Stadt gezogen war, eintrafen.
    Cain schickte obendrein Dutzende Häftlinge, darunter viele verurteilte Mörder und Vergewaltiger, mit dem Auftrag, Käfige zu errichten, und zwar sowohl für neue Häftlinge als auch für diejenigen, die aus dem Orleans Parish Prison evakuiert werden mussten. Die Häftlinge aus Angola brauchten für das Netz von Freiluftzellen nur zwei Tage und schliefen nachts gleich neben dem Greyhound-Bahnhof. Cain schickte auch Wärter. Als die Käfige fertig waren, wurden die Angola-Häftlinge wieder nach Norden gebracht, und die Wärter blieben vor Ort. Das waren die Männer, die Zeitouns Käfig bewacht hatten.
    Nach der Fertigstellung des Gefängnisses sagte Cain, das sei »ein echter Anfang für den Neuaufbau« von New Orleans. In den Wochen danach wurden über 1200 Männer und Frauen in Camp Greyhound inhaftiert.
    Diese komplexe und ungemein gut organisierte staatliche Maßnahme wurde durchgeführt, während Bürger von New Orleans auf Dachböden eingeschlossen waren und von Hausdächern und Highwayüberführungen aus um Hilfe flehten. In Camp Greyhound standen funktionierende mobile Toilettenkabinen, während es im Convention Center und im Superdome ein paar Häuserblocks weiter keine funktionierenden Toiletten gab. Für die Wachmänner und Häftlinge standen Hunderte Kartons mit Wasser und Essensrationen bereit, während die Gestrandeten ringsherum in der Stadt um Nahrung und Wasser kämpften.
    Manchmal kommt es vor, dass jemand mit Kathy spricht und sie nicht versteht, was die Person sagt. Neulich noch ist ihr das mit Ambata so gegangen, einer Frau, die Zeitoun vor Kurzem als Bürohilfe eingestellt hat. Die Kinder waren gerade aus der Schule zurück, der Fernseher war an, irgendwo lief Musik – das Haus war voller Geräusche. Kathy und Ambata waren dabei, Rechnungen zu verschicken, und Ambata sagte etwas, das Kathy nicht verstand. Sie sah, wie sich Ambatas Mund bewegte, aber die Worte schienen nichts zu bedeuten.
    »Wie bitte?«, sagte sie.
    Ambata wiederholte, was sie gesagt hatte.
    Die Worte ergaben keinen Sinn.
    »Verzeihung«, sagte Kathy. »Ich hab keine Ahnung, was du gerade gesagt hast.« Sie bekam Angst. Sie sprang auf und schaltete hektisch Fernseher, Musikanlage und Computer aus. Sie wollte jedwede Störung beseitigen. Sie setzte sich wieder zu Ambata und bat sie, noch einmal zu wiederholen, was sie gesagt hatte.
    Ambata tat es, aber noch immer konnte Kathy die Worte nicht begreifen.
    Eines Tages im Jahr 2006 besuchte Zeitoun seinen Cousin Adnan in dessen Subway-Filiale in der Innenstadt. Zeitoun machte dort manchmal Mittagspause, und an dem Tag sah er eine auffällig große Afroamerikanerin hereinkommen. Sie trug einen braun-grünen Tarnanzug und war offensichtlich eine Soldatin der Nationalgarde. Sie kam ihm ungemein bekannt vor.
    Zeitoun fiel ein, woher er sie kannte. Sie gehörte, das hätte er schwören können, zu den Leuten, die ihn festgenommen hatten. Er erkannte die Augen, das

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