Zeitoun (German Edition)
erwartungsvoll gebellt, aber heute hörte er nichts.
Bitte, dachte er. Bitte, Gott.
Er schob das Fenster hoch und kletterte hinein. Sofort schlug ihm der Gestank entgegen. Er wusste, dass die Hunde tot waren, noch ehe er sie sah. Er fand sie beide zusammen in einem der Schlafzimmer.
Er kletterte vom Dach zurück in den Baum und schob die Planke zum zweiten Haus. Die Hunde lagen direkt vor dem Fenster, ein Wirrwarr aus Gliedmaßen, die Köpfe zum Himmel, als hätten sie wochenlang auf ihn gewartet.
Nach zwei Wochen wohnten Kathy und Zeitoun noch immer in dem Einzimmerapartment, und die Kinder wollten unbedingt zurück nach New Orleans. Zeitoun war nervös. »Seh ich aus wie ich?«, fragte er Kathy. Er hatte Bedenken, dass er den Kindern Angst einjagen könnte, weil er so dünn geworden war und so viele Haare verloren hatte. Kathy wusste nicht, was sie antworten sollte. Er sah nicht aus wie er, noch nicht, aber die Kinder mussten ihren Vater sehen. Also flogen Kathy und Zeitoun nach Phoenix, und die Familie feierte unter vielen Tränen und Umarmungen ihre Wiedervereinigung. Sie fuhren zurück nach New Orleans, zu dem Apartment auf der Tita Street, wo sie alle einen Monat lang auf dem Boden schliefen.
Eines Tages öffnete Kathy einen Brief von der FEMA. Die Katastrophenschutzbehörde bot Zeitoun kostenlos einen Wohncontainer an, eine mobile Wohneinheit mit zwei Schlafzimmern, die ihnen auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden würde.
Kathy füllte die entsprechenden Formulare aus und schickte sie zurück. Sie versprach sich nicht viel davon und war verblüfft, als im Dezember 2005 ein Schwertransporter mit einem glänzend weißen Wohncontainer vor ihrem Apartment hielt.
Zeitoun war unterwegs, um seine Baustellen abzuklappern, daher bekam er nicht mit, wie der Container geliefert wurde. Als er zurückkam, staunte er. Der Container war nicht ans Wasser- oder Stromnetz angeschlossen worden. Und er stand auf einem wackeligen Turm aus Zementblöcken, wodurch er gut und gerne einen Meter zwanzig über dem Erdboden schwebte. Es gab keine Treppe, um die Tür zu erreichen. Um hineinzugelangen, war eine Trittleiter erforderlich. Und wenn man die Tür dann erreicht hatte, konnte man sie nicht öffnen, weil keine Schlüssel mitgeliefert worden waren.
Kathy rief bei der FEMA an und schilderte das Problem. Man versicherte ihr, die fehlenden Schlüssel so bald wie möglich nachzuliefern. Wochen verstrichen, ohne dass die Schlüssel kamen. Die Zeitouns warteten Tag für Tag auf einen Mitarbeiter der FEMA. Der Container blieb, wo er war, unbenutzt, ohne Wasser- und Stromanschluss und verschlossen.
Nach einem Monat kam ein FEMA-Pick-up und brachte eine mobile Treppe, etwa einen Meter zwanzig hoch. Da kein Zubehör mitgeliefert wurde, um die Treppe an dem Container zu befestigen, klaffte zwischen Treppe und Tür eine dreißig Zentimeter breite Lücke. Um einzutreten, hätte man springen müssen. Aber die Tür ließ sich ohnehin nicht öffnen. Auf die Schlüssel warteten sie nämlich noch immer.
Nach weiteren sechs Wochen kam ein Mitarbeiter der FEMA und überreichte Kathy die Schlüssel zu dem Container. Aber als er den Container sah, fiel ihm auf, wie schräg er stand, und er erklärte die Benutzung für zu gefährlich. Er versprach Kathy, jemanden zu schicken, der das Problem beheben würde, und verschwand wieder.
Zeitoun und Kathy begannen, Häuser in der näheren Umgebung zu kaufen. Ihre unmittelbare Nachbarin war vor dem Sturm geflohen und nicht mehr zurückgekehrt. Sie hatte ihr Haus zum Verkauf angeboten, und Zeitoun hatte ihr ein Angebot gemacht. Es belief sich auf die Hälfte des Wertes, den das Haus vor dem Sturm gehabt hatte, aber sie nahm an. Das war von allen Geschäften, die sie abschlossen, das beste. Vor dem Sturm hatten sie bereits das Haus hinter ihrem eigenen gekauft. Bald schon wohnten sie dort, während sie ihr ursprüngliches Haus auf der Dart Street renovierten und das andere Nachbarhaus vermieteten.
Derweil stand der FEMA-Container weiter vor dem Haus auf der Tita Street. Inzwischen waren acht Monate vergangen, und er war noch immer nicht an die Wasser- oder Stromversorgung angeschlossen. Auch zum Betreten des Containers war keine praktische Lösung gefunden worden, und jetzt benötigten die Zeitouns ihn nicht mehr. Er verschandelte die Gegend. Zeitoun hatte sämtliche Schäden an dem Haus auf der Tita Street repariert, und jetzt wollten sie es verkaufen. Aber der Container versperrte die Sicht auf das
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