Zeitoun (German Edition)
Stanislaw, ein alter Kunde und Freund.
»Macht ihr, dass ihr wegkommt, oder seid ihr verrückt?«, fragte er.
Kathy kicherte. »Ich will weg. Klar. Aber ich kann nicht für meinen Mann sprechen.«
Rob steckte in einer ähnlichen Zwickmühle. Sein Mann, Walt Thompson, war genau wie Zeitoun – dickköpfig, immer der Meinung, seine Informationen wären besser als die aller anderen. Rob und Walt waren seit fünfzehn Jahren ein Paar und seit 1997 mit den Zeitouns befreundet. Sie hatten die Zeitouns mit der Renovierung eines Hauses betraut, das sie gekauft hatten, und die vier hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Im Laufe der Jahre war ihre Freundschaft immer enger geworden.
Walts Familie lebte in Baton Rouge, und wahrscheinlich würden sie übers Wochenende hinfahren, sagte Rob. Er und Kathy vereinbarten, sich im Laufe des Tages gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.
Sie wollte gerade eine Internet-Pause einlegen, als ihr etwas ins Auge sprang. Eine Nachrichtenmeldung, die frisch hereingekommen war: Eine fünfköpfige Familie wurde auf See vermisst. Es lagen nur wenige Informationen vor – Eltern mit drei Kindern im Alter von vier, vierzehn und siebzehn. Sie machten eine Segeltour im Golf und hätten am Donnerstag in Cape Coral eintreffen sollen. Doch als der Sturm kam, war die Funkverbindung abgebrochen. Angehörige und Freunde hatten die Küstenwache verständigt, und Boote und Flugzeuge suchten nach den Vermissten. Mehr war bislang nicht bekannt, und es sah schlecht aus.
Kathy war fix und fertig. Solche Geschichten gingen ihr immer an die Nieren.
Kathy rief ihren Mann an. »Rob und Walt verlassen die Stadt.«
»Ehrlich? Walt will weg?«
Zeitoun vertraute in fast allen Dingen auf Walts Urteil.
Kathy dachte, sie könnte ihren Mann vielleicht dazu bringen, in ihre Richtung zu schwenken. »Fast vierzig Zentimeter Regen, hab ich gehört.«
Schweigen von Zeitoun.
»Über sieben Meter hohe Wellen«, schob Kathy nach.
Zeitoun wechselte das Thema. »Hast du bei den DeClercs nachgefragt, ob sie mit dem Farbmuster einverstanden sind?«
»Hab ich«, sagte Kathy. »Hast du von der fünfköpfigen Familie gehört?«
Hatte er nicht, und so erzählte Kathy ihm in atemloser Eile, was sie über die Familie wusste, die in ihrem kleinen Boot auf See verschollen war, vom Hurrikan weggefegt, genau wie die Zeitouns womöglich weggefegt wurden, wenn sie nicht vor ihm Reißaus nahmen.
»Wir sind nicht auf See, Kathy«, sagte Zeitoun.
Zeitoun hatte fast zehn Jahre auf Schiffen verbracht, die von Obst bis Öl alles transportierten. Er arbeitete als Besatzungsmitglied, als Maschinist, als Fischer – er war überall, von Japan bis Kapstadt. Die ganze Zeit über sagte ihm sein Bruder immer wieder: »Wenn ein Seemann den richtigen Hafen oder die richtige Frau findet, geht er vor Anker.« 1988 kam Zeitoun auf einem Tanker, der Öl von Saudi-Arabien nach Houston brachte, in die USA. Er fand Arbeit bei einer Baufirma in Baton Rouge, wo er Ahmaad begegnete, einem Amerikaner libanesischer Abstammung, der einer seiner engsten Freunde wurde und über den er seine Frau kennenlernte.
Ahmaad arbeitete damals an einer Tankstelle und Zeitoun als Trockenbauer. Sie kamen sich aufgrund ihrer gemeinsamen Herkunft näher, und eines Tages fragte Zeitoun Ahmaad, ob er irgendwelche unverheirateten Frauen kenne, die vielleicht zu ihm passen würden. Ahmaad war mit einer Frau namens Yuko verheiratet, einer aus Japan stammenden Amerikanerin, die zum Islam übergetreten war, und Yuko, so stellte sich heraus, hatte eine Freundin. Aber Ahmaad war hin- und hergerissen: Einerseits mochte er Zeitoun, vertraute ihm und wollte ihm gerne helfen, andererseits hoffte er, dass diese Freundin von Yuko vielleicht die Richtige für einen anderen seiner Freunde sein könnte. Falls das zwischen seinem Freund und Yukos Freundin nicht klappte, so sagte er, würde er sie natürlich mit Zeitoun bekannt machen. Zeitoun akzeptierte diese Bedingung, aber jetzt war sein Interesse geweckt. Wer war diese Frau, die Ahmaad so sehr schätzte, dass er nicht mal ihren Namen verraten wollte?
In jenem Jahr reifte in Zeitoun der Entschluss heran, die richtige Frau zu finden. Er erzählte Freunden und Cousins, dass er eine praktisch veranlagte muslimische Frau suchte, die eine Familie wollte. Da sie ihn als seriösen und fleißigen Mann kannten, verschafften sie ihm viele Verabredungen. Er wurde nach New York geschickt, um die Tochter eines Bekannten kennenzulernen. Er fuhr nach
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