Zeitoun (German Edition)

uns gerade ausgegangen.«
    Sie überzeugte die Frau, dass die Männer, die geschickt worden waren – in diesem Fall allesamt Latinos –, erfahrene Profis waren, die ausgezeichnet arbeiteten. Die Frau gab nach, rief aber weiterhin an. »Der ist zu klein für einen Anstreicher«, sagte sie über einen Mitarbeiter, Hector, der über eins achtzig groß war. Als sie irgendwann einsah, dass diese Maler nicht durch größere, weiße ersetzt werden würden, egal wie oft sie sich beschwerte, fand die Südstaatenschönheit sich mit den Männern ab und beschränkte sich darauf, sie genau im Auge zu behalten.
    Natürlich kam es dann und wann vor, dass potenzielle Kunden durch Zeitouns Nachnamen irritiert waren. Sie riefen wegen eines Kostenvoranschlags an und fragten Kathy: »Zeitoun, woher kommt der Name? Woher stammt Ihr Mann?« Wenn Kathy antwortete: »Oh, er ist Syrer«, folgte meist eine längere oder kürzere Pause, und dann sagten sie: »Ach, okay, egal.« Es passierte selten, aber nicht selten genug.
    Kathy erzählte Zeitoun manchmal von solchen Vorfällen, manchmal aber auch nicht und niemals beim Abendessen. Normalerweise tat er es bloß mit einem Lachen ab, aber hin und wieder ging es ihm unter die Haut. Sein Frust über manche Amerikaner war vergleichbar mit dem eines enttäuschten Vaters. Er fühlte sich wohl in diesem Land, von dessen Möglichkeiten er beeindruckt und begeistert war, und er verstand nicht, wieso Amerikaner manchmal hinter ihren eigenen Idealen zurückblieben. Wenn er erst mal mit dem Thema anfing, war es aus mit einem angenehmen Essen. Meistens begann er damit, die Muslime in Amerika zu verteidigen, und weitete seine These von dort aus. Seit den Anschlägen in New York, sagte er dann, wird jedes Mal, wenn ein Muslim eine Straftat begeht, der Glaube des Täters genannt, auch wenn der überhaupt nicht von Belang ist. Wenn ein Christ eine Straftat begeht, wird dann auch seine Religion genannt? Wenn ein Christ am Flughafen bei dem Versuch erwischt wird, eine Pistole an Bord zu schmuggeln, wird die westliche Welt dann darüber informiert, dass heute ein Christ festgenommen wurde und verhört wird? Und was ist mit Afroamerikanern? Wenn ein Schwarzer eine Straftat begeht, heißt es im ersten Atemzug: »Ein Afroamerikaner wurde heute festgenommen …« Aber was ist mit Deutschamerikanern? Angloamerikanern? Ein Weißer überfällt einen kleinen Laden, hören wir dann, dass er schottischer Herkunft ist? In keinem anderen Fall wird die Herkunft erwähnt.
    Und dann zitierte Zeitoun den Koran.
Oh ihr, die ihr glaubt, bleibt fest in der Gerechtigkeit,
so ihr Zeugnis ablegt zu Allah,
und sei es auch wider euch selber oder eure Eltern und Verwandten,
handle es sich um arm oder reich,
denn Allah steht näher als beide.
Und folget nicht der Leidenschaft,
dass ihr abweichet vom Recht.
Ob ihr euch auch hin- und herwendet und abkehret,
siehe, Allah weiß, was ihr tut.
    Kathy war erstaunt, wie gut er das Buch kannte und wie rasch er zu jeder Gelegenheit eine passende Passage zitieren konnte. Aber solche Monologe beim Abendessen? Es war gut, wenn den Kindern bewusst wurde, dass es solche Vorurteile gab, aber Zeitoun enttäuscht zu sehen, ihn nach einem langen Tag so aufzuregen – das war es nicht wert. Letzten Endes konnte Zeitoun solche Dinge zwar mit einem Lachen abtun, doch was er nicht ertragen konnte, war, wenn Kunden Kathy gegenüber laut wurden.
    Einmal hatten sie eine Kundin gehabt, eine junge Frau, schlank, hübsch, tadellos gepflegt, die mit einem Arzt verheiratet war. Sie hatte keine Alarmglocken ausgelöst, als Zeitoun einen Kostenvoranschlag erstellte und anschließend mit der Renovierung des Treppenhauses und des Gästezimmers anfing. Sie sagte, sie und ihr Mann erwarteten Gäste und daher müssten das Treppenhaus und das Gästezimmer in fünf Tagen fertig sein. Zeitoun sagte, der Zeitplan sei zwar eng, würde aber von seiner Seite aus kein Problem darstellen. Sie war begeistert. Kein anderer Malerbetrieb hatte sich auf diese Frist einlassen können.
    Am nächsten Tag schickte Zeitoun drei Leute hin. Als die Kundin sah, wie zügig und tüchtig Zeitouns Trupp arbeitete, fragte sie an, ob sie auch noch das Arbeitszimmer ihres Mannes und das Zimmer ihrer Tochter streichen könnten. Er sagte zu. Er schickte noch mehr Leute zu dem Haus, und sie gab weitere Räume und Arbeiten in Auftrag – darunter auch das Neufliesen und Streichen eines Badezimmers –, und Zeitouns Männer erledigten alles zügig.
    Aber