Zeitoun (German Edition)
ein Chaos riskieren, wie sie es in ihrer ersten Ehe erlebt hatte.
Nachdem Zeitoun sich an dem Abend verabschiedet hatte, sagte Kathy zu Yuko, er sei wirklich ein netter Mann, aber sie finde nicht, dass sie zueinander passen würden.
Doch im Laufe der nächsten zwei Jahre liefen sie und Zeitoun sich gelegentlich über den Weg. Wenn er bei Ahmaad und Yuko zum Grillen eingeladen war, verabschiedete er sich, sobald Kathy kam, aus Rücksicht ihr gegenüber – er wollte nicht, dass sie sich wegen ihm unbehaglich fühlte. Er erkundigte sich weiterhin nach ihr, und einmal im Jahr ließ er durch Yuko locker nachfragen, nur um sich zu vergewissern, dass sie es sich nicht anders überlegt hatte.
Unterdessen änderte sich allmählich Kathys Sichtweise. Je größer Zachary wurde, desto öfter meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Wenn sie mit ihm in den Park ging und die anderen Jungen mit ihren Vätern spielen sah, fragte sie sich, ob sie egoistisch war. Ein Junge braucht einen Vater, dachte sie. War es unfair, die Möglichkeit einer Vaterfigur in Zacharys Leben auszuschließen? Sie war noch nicht so weit, derlei Gedanken Taten folgen zu lassen, aber ganz langsam taute etwas in ihr auf. Mit den Jahren, als Zachary drei und dann vier wurde, fand sie die Vorstellung, sich auf jemand Neues einzulassen, immer weniger abwegig.
Am frühen Nachmittag rief Kathy Zeitoun an.
»Lass uns noch abwarten«, sagte er.
»Deshalb ruf ich nicht an«, sagte sie.
Eine Kundin an der West Bank wollte ein Badezimmer neu streichen lassen.
»Ehrlich? Das haben wir doch gerade erst gestrichen«, sagte er.
»Es gefällt ihr so nicht.«
»Ich hab ihr gesagt, dass die Farbe falsch ist. Orangerot.«
»Tja, jetzt ist sie auch deiner Meinung.«
»Ich fahr sofort hin«, sagte er.
»Kein Grund zur Hetze«, sagte sie.
»Na, du musst dich schon entscheiden.«
»Ich will bloß nicht, dass du rast«, sagte sie. Kathy machte sich Sorgen wegen seiner Fahrweise, erst recht, wenn Leute unterwegs waren, die Angst vor einem nahenden Hurrikan hatten. Sie wusste, dass Zeitoun sich für einen guten Autofahrer hielt, aber wenn sie mit ihm fuhr, war sie ein einziges Nervenbündel.
»Kathy, bitte –«, setzte er an.
»Ich hab einfach Angst, wenn du fährst!«
»Ich frage dich«, sagte er, und Kathy wusste, dass jetzt wieder eines seiner häufigen Gedankenspiele kommen würde. »Sagen wir, die Durchschnittsperson fährt vielleicht zwei Stunden am Tag, jeden Tag, und diese Person kassiert im Durchschnitt zwei Strafzettel im Jahr. Ich fahre schätzungsweise sechs Stunden jeden Tag. Wie viele Strafzettel müsste ich kassieren? Das ist meine Frage.«
»Ich sage bloß, ich persönlich habe Angst.«
»Ich kassiere nur zwei, drei Strafzettel pro Jahr, Kathy! Ich kannte mal einen Mann, der dreißig Jahre lang Taxifahrer in New York war. Ohne Führerschein, und dieser Mann –«
Kathy wollte nichts von dem Mann in New York hören. »Ich sage ja bloß …«
»Kathy. Kathy. In Syrien haben wir ein Sprichwort: ›Der Verrückte redet, der Kluge hört zu.‹«
»Aber reden tust du.«
Zeitoun musste lachen. Er zog bei ihr immer den Kürzeren.
»Ich ruf dich wieder an«, sagte sie.
Zeitoun fuhr zur West Bank, um sich das orangerote Badezimmer anzusehen. Er versuchte, die Geschmacksschwankungen seiner Kunden amüsant zu finden. Das gehörte zu seinem Beruf, und wenn er sich jedes Mal aufregen würde, wenn jemand seine Meinung änderte, würde er nicht lange überleben. Immerhin wurde es so niemals langweilig. Der ungemein persönliche Charakter seiner Arbeit, die subjektiven Geschmäcker, Veränderungen in Bezug auf Licht, Vorhänge und Teppiche sorgten dafür, dass Ansichten sich änderten und Arbeiten gelegentlich neu durchgeführt werden mussten.
Dennoch, die ungewöhnlichsten Wünsche kamen meist von den Leuten, die am normalsten wirkten. Eine Kundin zum Beispiel, eine gut sechzigjährige Südstaatenschönheit, hatte bei Zeitoun Painting angerufen und frohen Herzens mit der redseligen Kathy geplaudert, deren südlicher Tonfall ihr vertraut war. Aber als dann die Maler eintrafen, um an ihrer Hausfassade zu arbeiten, rief sie sofort Kathy an.
»Ich mag diese Männer nicht«, sagte sie.
»Was stört Sie denn an ihnen?«, fragte Kathy.
»Die sind dunkelhäutig«, sagte sie. »Ich möchte, dass an meinem Haus nur Weiße arbeiten.« Sie sagte das so, als würde sie ein Dressing für ihren Salat auswählen.
»Weiße?«, sagte Kathy lachend. »Tut mit leid, die sind
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