Zeitoun (German Edition)
Baustellen in der ganzen Stadt, und in ihrer Abwesenheit konnte alles Mögliche passieren. Sie wären haftbar für Schäden, die ihre Ausrüstung am Besitz von Kunden verursachte. Auch das war ein Risiko des Unternehmens, das sie aufgebaut hatten.
Kathy war stark geneigt, die Stadt zu verlassen, und nach den Nachrichten zu urteilen, die sie den ganzen Tag über im Fernsehen sah, mehrten sich die Anzeichen für einen einzigartigen Sturm, sodass es für sie schließlich völlig undenkbar wurde, zu bleiben. Am Louis Armstrong International Airport war der Betrieb bereits weitestgehend eingestellt worden. Die Nationalgarde von Louisiana hatte viertausend Reservisten mobilisiert.
Schon am Vormittag waren es mindestens fünfunddreißig Grad, und die Luft war drückend schwül. Zeitoun tollte mit den Kindern und Mekay, dem Hund, im Garten herum. Kathy öffnete die Hintertür.
»Willst du wirklich bleiben?«, fragte Kathy ihn. Irgendwie dachte sie, er würde seine Meinung vielleicht doch noch ändern. Sie täuschte sich.
»Worüber machst du dir Sorgen?«, sagte er.
Eigentlich machte sie sich keine Sorgen. Im Grunde fürchtete sie nicht um die Sicherheit ihres Mannes, aber sie hatte das Gefühl, dass das Leben in der Stadt während des Sturms und in der Zeit danach äußerst schwierig werden würde. Der Strom würde ausfallen. Die Straßen wären mit Trümmern übersät, tagelang unpassierbar. Wieso wollte er sich alldem aussetzen?
»Ich muss auf das Haus aufpassen«, sagte er. »Die anderen Häuser. Ein kleines Loch im Dach – wenn ich es repariere: kein Schaden. Wenn nicht, ist das ganze Haus hinüber.«
Am frühen Nachmittag riefen Bürgermeister Nagin und Gouverneurin Blanco zu einer freiwilligen Evakuierung der Stadt auf. Nagin stellte den Bewohnern den Superdome als »letzte Zufluchtsstätte« zur Verfügung. Kathy schauderte bei dem Gedanken; im Jahr zuvor, beim Hurrikan Ivan, war der Plan kläglich gescheitert. Wie schon 1998, beim Hurrikan Georges, war der Superdome auch bei Ivan schlecht versorgt worden und aus allen Nähten geplatzt. Sie war entsetzt, dass das Football-Stadion schon wieder benutzt werden sollte. Vielleicht hatten sie aus den Fehlern gelernt und bessere Vorkehrungen getroffen? Alles war möglich, aber sie hatte so ihre Zweifel.
Kathy wollte sich auf den Weg machen, sobald auch die Gegenfahrbahnen der Highways für den Verkehr aus der Stadt freigegeben wurden, vermutlich gegen vier Uhr. Bis dahin hätte sie den Odyssey beladen und startklar in der Einfahrt stehen.
Aber wohin sollte sie fahren? Ihr war klar, dass im Umkreis von zweihundert Meilen längst jedes Hotel ausgebucht war. Somit blieb nur die Entscheidung, wem aus ihrer Familie sie zur Last fallen würde. Sie hatte zuerst an ihre Schwester Ann gedacht, die in Poplarville, Mississippi, wohnte. Doch als sie anrief, überlegte Ann schon, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen. Ihr Haus befand sich streng genommen innerhalb des Bereichs, der von den Sturmwinden betroffen sein würde, und es war von alten Bäumen umringt. Angesichts der Gefahr, dass einer davon auf ihr Dach krachen könnte, war Ann unsicher, ob sie bleiben sollte, ganz zu schweigen von Kathy und ihren Kindern.
Die nächste Möglichkeit war der Familienhauptsitz in Baton Rouge, bei ihrem Bruder Andy, dem ein Haus mit drei Schlafzimmern in einem Neubaugebiet außerhalb der Stadt gehörte. Andy war beruflich viel unterwegs und zurzeit in Hongkong, wo er an einem Bauprojekt arbeitete. Während seiner Abwesenheit hatten sich zwei von Kathys Schwestern, Patty und Mary Ann, bei ihm einquartiert.
Kathy wusste, dass sie und ihre Kinder auch dort unterkommen könnten, aber es würde eng werden. Das Haus war ohnehin nicht besonders groß, und Patty hatte selbst vier Kinder. Wenn Kathy mit Anhang dazukäme, würden alles in allem acht Kinder und drei Frauen zusammen in einem Haus wohnen, das durch den Sturm aller Voraussicht nach keinen Strom hätte.
Dennoch, es war einige Zeit her, seit die Familien sich getroffen hatten. Das könnte sie einander wieder näherbringen. Sie könnten zusammen auswärts essen, vielleicht in Baton Rouge shoppen gehen. Kathy wusste, dass ihre Kinder dafür wären. Pattys Kinder waren älter, aber sie verstanden sich gut mit den Zeitouns, und überhaupt, acht Kindern wurde es nie langweilig miteinander. Es würde eng und laut werden, aber Kathy merkte, dass sie sich darauf freute.
Den ganzen Nachmittag über versuchte Kathy, ihren Mann zu
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