Zeitoun (German Edition)
hängende Himmel war schmutzig braungrau. In der Stadt herrschten chaotische Zustände durch die Abertausenden von Autos. Der Verkehr war schlimmer, als er erwartet hatte. Bremslichter und Hupen, Autos, die rote Ampeln überfuhren. Zeitoun nahm Straßen, die von den Fliehenden nicht genutzt wurden.
Im Stadtzentrum waren Hunderte von Menschen mit Kühlboxen, Decken und Koffern zu Fuß in Richtung Superdome unterwegs. Zeitoun war verblüfft. In der Vergangenheit waren Versuche gescheitert, das Stadion als Notunterkunft zu nutzen. Als Mann vom Bau gab ihm die Statik des Stadiondaches zu denken. Konnte es wirklich Orkanböen und sintflutartigen Regenfällen standhalten? Nicht für Geld und gute Worte hätte er dort Schutz vor dem Sturm gesucht.
Und überhaupt, in den letzten Jahren hatte es doch immer nur ein paar Stunden pfeifenden Wind, einige umgestürzte Bäume und höchstens einen halben Meter Wasser gegeben, leichte Schäden, die schnell wieder repariert werden konnten, sobald der Sturm weitergezogen war.
Er fühlte sich gut. New Orleans würde bald praktisch menschenleer sein, und es war immer ein gutes Gefühl, in der verlassenen Stadt zu sein, zumindest für ein oder zwei Tage. Er fuhr weiter seine Runde, sicherte die letzten Baustellen und war um kurz vor sechs wieder zu Hause.
Um halb sieben rief Kathy an.
Sie steckte einige Meilen außerhalb der Stadt im Stau. Außerdem war sie in ihrer Aufregung und durch das unerwartet hohe Verkehrsaufkommen in die falsche Richtung gefahren. Anstatt die I-10 nach Westen Richtung Baton Rouge zu nehmen, war sie jetzt nach Osten unterwegs und hatte vorläufig keine Möglichkeit, den Irrtum zu korrigieren. Sie würde Lake Pontchartrain überqueren und dann ab Slidell eine Riesenschleife zurück durch halb Louisiana fahren müssen. Das würde Stunden dauern. Sie war schon jetzt gestresst und erschöpft, dabei waren sie doch gerade erst losgefahren.
Zeitoun saß zu Hause, die Füße auf dem Tisch, und sah fern.
»Ich hab’s dir doch gesagt«, konnte er sich nicht verkneifen zu sagen.
Kathy und die Kinder wurden im Haus ihres Bruders zum Essen erwartet, aber um sieben Uhr hatten sie noch keine zwanzig Meilen hinter sich gebracht. Kurz vor Slidell stoppte Kathy an einem Burger King. Sie bestellten am Drive-in-Fenster Cheeseburger und Pommes und fuhren weiter. Kurz darauf machte sich ein übler Geruch im Odyssey breit.
»Was ist das?«, fragte Kathy die Kinder. Sie kicherten. Es war ein ekelhafter, kotiger Geruch. »Was ist das?«, fragte sie erneut. Diesmal bekamen die Mädchen kaum noch Luft vor Lachen. Zachary schüttelte den Kopf.
»Das war Mekay«, brachte eines der Mädchen schließlich heraus, ehe es erneut losprustete.
Die Mädchen hatten der Hündin heimlich etwas von ihren Cheeseburgern zugesteckt, und von dem Käse hatte sie nun schon seit einer ganzen Weile Blähungen.
»Das ist ja widerlich!«, jammerte Kathy. Die Kinder kicherten nur noch mehr. Mekay litt weiter vor sich hin. Sie versteckte sich unter dem Sitz.
Sie passierten Slidell und bogen auf die I-190, weil Kathy hoffte, eine kleinere Straße wäre weniger verstopft. Aber dort war es genauso schlimm, eine endlose Schlange von Bremslichtern. Zehntausend Autos, zwanzigtausend Lichter, so kam es ihr vor, die sich wahrscheinlich bis Baton Rouge oder noch weiter erstreckten. Sie hatte sich in diesen Exodus eingegliedert, ohne sich seines ungeheuren Ausmaßes und seiner Eigenartigkeit richtig bewusst zu sein. Einhunderttausend Menschen unterwegs, alle Richtung Norden und Osten, auf der Flucht vor Sturm und Flut. Kathy musste an Betten denken. Wo sollten all diese Menschen schlafen? Einhunderttausend Betten. Jedes Mal, wenn sie an einer Einfahrt vorbeikam, sah sie sehnsüchtig zu dem Haus hinüber. Sie war so müde und hatte noch nicht mal die Hälfte der Strecke hinter sich.
Wieder dachte sie an ihren Mann. Die Bilder, die sie in den Nachrichten gesehen hatte, waren wirklich absurd – der Sturm sah aus wie eine weiße Kreissäge, die sich direkt auf New Orleans zubewegte. Auf diesen Satellitenbildern wirkte die Stadt im Vergleich zu dem Hurrikan so klein, ein winziger Fleck, der bald von diesem gigantischen Sägeblatt in Stücke geschnitten werden würde. Und ihr Mann war bloß ein Mensch allein in einem Holzhaus.
Um acht Uhr rief Zeitoun wieder an. Kathy und die Kinder waren nun seit drei Stunden unterwegs und hatten es erst bis Covington geschafft – etwa fünfzig Meilen. Zeitoun hingegen sah fern,
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