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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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alle Möglichkeiten durch. Wenn er noch da wäre und mit dem Kanu durch New Orleans paddelte, dann hätte er vom Claiborne-Haus aus angerufen. Falls das Telefon dort nicht mehr funktionierte, hätte er mit Sicherheit inzwischen ein anderes funktionsfähiges Telefon gefunden. Oder er hätte irgendwelche Soldaten um Hilfe gebeten, um Kontakt zu Kathy aufzunehmen. Es schien ausgeschlossen, dass er in der Stadt war und keinerlei Möglichkeit gefunden hatte, sich bei ihr zu melden.
    Was bedeutete, dass er die Stadt verlassen haben musste. Vielleicht war ihm Wasser oder Essen ausgegangen. Vielleicht hatte er sich von einem Hubschrauber oder Rettungsboot aus der Stadt bringen lassen. Aber wenn er nicht mehr dort war und in irgendeine Notunterkunft gebracht worden war, hätte er sie doch umgehend angerufen.
    Sie wusste, dass man Leichen gefunden hatte, nicht identifizierte, die unverhüllt im Wasser trieben. Er könnte tot sein, sagte sie sich. Dein Mann könnte gestorben sein. Es hatte Morde gegeben, das wusste sie. Sie traute den Berichten von zügelloser Gewalt nicht so ganz, aber sie wusste, dass es bestimmt einige Morde gegeben hatte. Es könnte ein Raubüberfall gewesen sein, dachte sie. Irgendjemand wollte etwas aus einem unserer Häuser stehlen, er war dort, hat versucht, sich zu verteidigen –
    Er konnte nicht ertrunken sein. Er konnte keinem Unglück zum Opfer gefallen sein. Sie kannte ihren Mann zu gut. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er einen Unfall gehabt hatte. Dazu war er zu clever, zu vorsichtig, und selbst wenn doch etwas passiert war, er war unverwüstlich. Er hätte überlebt, er hätte Hilfe gefunden.
    Als es in New Orleans Mittag war, rief Kathy wieder im Claiborne-Haus an. Sie ließ es klingeln, sehnte sich danach, die Stimme ihres Mannes zu hören, doch noch immer fand das Klingeln kein Ende.
    Sie musste sich Gedanken über die Lebensversicherung machen. Sie musste sich überlegen, wie sie ihre vier Kinder ernähren wollte. Wäre sie imstande, den Betrieb allein zu leiten? Natürlich nicht. Aber in irgendeiner anderen Form? Sie würde die Mietshäuser verkaufen müssen. Oder vielleicht könnte sie die Mietshäuser allein verwalten. Zu viele Fragen. Nein, sie würde den Malerbetrieb verkaufen und die Mietshäuser behalten. Oder sie könnte ein paar Häuser verkaufen und nur einige behalten, die sie allein verwalten könnte. Sollte sie in New Orleans bleiben oder mit den Kindern nach Baton Rouge ziehen? Nach Phoenix? Auf jeden Fall nach Phoenix.
    Und wie lange würde es dauern, bis die anderen anfingen, das Schlimmste zu vermuten? Eine Woche? Zwei Wochen, drei?
    Sie ging ins Internet und sah eine weitere E-Mail von Ahmad. Diesmal hatte er dem Fernsehsender geschrieben, der das kurze Interview mit Zeitoun gezeigt hatte. Aus seinem Büro in Spanien hatte Ahmad nicht nur den Namen des Senders, sondern auch den des Produzenten herausgefunden.
Von: CapZeton
Datum: So., 11. Sept. 2005 02:01:34 +0200
An: {Name weggelassen}@wafb.com
Betreff: New Orleans, vom Hurrikan zerstörte Gebiete
Sehr geehrte Damen und Herren,
von Freunden in Baton Rouge habe ich erfahren, dass Sie am 5. September meinem Bruder begegnet sind.
Name: Abdulrahman Zeitoun, 47 Jahre alt, betroffenes Gebiet in New Orleans: 4649 Dart St. LA 70125-2716, wo er wohnt. Meine Freunde haben ihn am 6. Sept. auf Ihrem Sender TV WAFB CH9 gesehen.
Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr zu ihm. Könnten Sie mir freundlicherweise Informationen über den Tag und die Uhrzeit Ihres Treffens mit meinem Bruder geben? Oder haben Sie noch andere Informationen?
Vielen Dank,
Ahmad Zeton
Málaga, Spanien

    Kathy stieß auf eine Webseite mit aktuellen Luftaufnahmen von New Orleans. Sie suchte, bis sie ihr Wohnviertel fand, und zoomte das Bild dann heran, bis sie erkennen konnte, was von ihrem Haus und der Nachbarschaft übrig war. Das Wasser war dreckiger, als sie sich das vorgestellt hatte. Es sah aus, als schwämme die ganze Stadt in Öl und Teer.
    Sie rief jede Nummer von jeder Person an, die noch in New Orleans sein könnte. Nichts.
    Yuko und Ahmaad trösteten sie.
    »Er ist ein Mann alter Schule«, sagte Ahmaad. Jemand, der so robust und unabhängig war wie Zeitoun, fand nichts dabei, mal ein paar Tage keinen Kontakt zu halten. »Solche Männer wie ihn gibt es heute gar nicht mehr.«
    Yuko hielt Kathy von Telefonen und Fernsehnachrichten fern. Dennoch, im Auto bekam Kathy immer mal wieder Meldungen mit. So hörte sie sich im Odyssey die wöchentliche

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