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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Radioansprache von Präsident Bush an. Er verglich den Sturm mit dem 11. September und dem Krieg gegen den Terror. »Amerika erlebt erneut eine verheerende Katastrophe, die zahlreiche Menschenleben gekostet hat«, sagte er. »Amerika wird diese Prüfung bestehen und umso stärker daraus hervorgehen.«
    MONTAG , 12. SEPTEMBER
    Es wurde Zeit, dass die Mädchen wieder zur Schule gingen. Sie hatten nun schon fast seit zwei Wochen keinen Unterricht mehr gehabt, und so unangenehm es auch war, mitten im September an einer neuen Schule anzufangen, sie brauchten einen halbwegs geregelten Tagesablauf.
    Kathy erledigte die entsprechenden Anrufe. Die nächstgelegene Schule war die Dr. Howard K. Conley Elementary School. »Bringen Sie sie gleich her«, sagte man Kathy. Für Zach, der schon zur Highschool ging, würde es schwieriger werden.
    Die Mädchen waren nervös. Es gefiel ihnen nicht, in eine neue Schule gesteckt zu werden, wo sie niemanden kannten und wo alle sie als Flüchtlinge sehen würden. Wieso konnten sie nicht einfach abwarten, bis sie nach New Orleans zurückkehrten? Was würden sie hier schon lernen? Die Bücher und Lehrpläne wären anders als zu Hause. Wieso das alles? Weil, sagte Kathy, ihr Vater wollte, dass sie zur Schule gingen, und das reichte als Begründung.
    Yuko und Ahmaad kauften den Mädchen neue Sachen für die Schule, Ringbücher und Hefte und Kulis und Bleistifte und Tornister mit Pokémon- und Hello-Kitty-Motiven, um alles zu verstauen. Das tröstete die Mädchen ein wenig, aber als Kathy sie zur Schule fuhr und im Büro der Direktorin zurückließ, war sie fix und fertig. Sie konnte Aisha nicht mal ansehen. Alles lag in den feuchten dunklen Augen des Mädchens, alle Angst, die Kathy mit ihr teilte – dass das hier nämlich die ersten Tage ihres neuen Lebens waren, ihres Lebens in Phoenix, ihres Lebens ohne ihren Vater.
    Auf der Rückfahrt von der Schule hörte Kathy sich die Nachrichten im Radio an. Die offizielle Zahl der Todesopfer in New Orleans lag jetzt bei 279. Sie schien jeden Tag um hundert zu steigen, dabei hatte die Suche nach Toten gerade erst begonnen.
    Musste sie eine Trauerfeier planen? Es waren jetzt sieben Tage. Wie lange konnte sie sein Verschwinden noch irgendwie erklären? Präsident Bush war inzwischen zwei- oder dreimal in New Orleans gewesen. Und wenn der Präsident auf dem Jackson Square eine Pressekonferenz geben konnte, dann hätte ihr Mann, so er noch lebte, ein Telefon finden und sie anrufen können.
    DIENSTAG , 13. SEPTEMBER
    Nun, da die Kinder tagsüber in der Schule waren, stürzte Kathy regelrecht ab. Sie hatte mehr Zeit für sich und mehr Zeit, sich zu ängstigen, mehr Zeit, ein unglückliches neues Leben zu planen.
    Sie rief stündlich im Claiborne-Haus an. Sie rief auch auf Zeitouns Handy an, für den Fall, dass er irgendeine Möglichkeit gefunden hatte, es aufzuladen.
    Die Zahl der Todesopfer kletterte auf 423.
    Sie fand die Nummer von Todd Gambinos Freundin heraus und rief sie an. Sie war in Mississippi und hatte seit einer Woche nichts mehr von Todd gehört. Das musste irgendetwas bedeuten. Vielleicht war den beiden zusammen etwas passiert? Das war eine gute Neuigkeit. Ganz bestimmt. Die beiden Frauen vereinbarten, in Kontakt zu bleiben.
    Ahmad rief Kathy jeden Tag aus Spanien an. Er rief die Küstenwache und die Navy an. Er schrieb der syrischen Botschaft in Washington. Keine Reaktion, von niemandem. Er informierte sich über Flüge nach New Orleans. Es konnte schließlich nicht schaden, wenn er vor Ort nach seinem Bruder suchte. Es war auch gut möglich, dass seine Geschwister das ohnehin von ihm erwarteten, zumal er der Einzige war, der überhaupt eine Chance hatte, in die Vereinigten Staaten hineingelassen zu werden; von Syrien aus ein Visum zu bekommen war hoffnungslos. Seine Frau war strikt gegen diese Idee, aber dennoch, der Gedanke ließ ihn nicht los.
    MITTWOCH , 14. SEPTEMBER
    Die Zahl der Todesopfer lag jetzt bei 648 und stieg weiter.
    Kathy fragte jeden Tag beim Roten Kreuz nach. Sie hatte Zeitoun bald bei einem halben Dutzend Organisationen gemeldet, die sich um die Suche nach Vermissten kümmerten. Sein Foto war überall.
    Die Mädchen gingen zur Schule, kamen nach Hause, schauten fern. Yukos und Ahmaads Kinder konnten sie gelegentlich ablenken, aber ihre Augen waren leer. Auch sie dachten über das Leben ohne ihren Vater nach. Wollten sie in Phoenix leben? Würde es eine Beerdigung geben? Wann würden sie erfahren, was passiert war?
    In den

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