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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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auf einer Seite von Hunderten von Morden die Rede, von Krokodilen im Wasser, von randalierenden Banden. Eine andere Seite berichtete, dass keine Babys vergewaltigt worden waren. Dass es im Superdome keine Morde gegeben hatte, keine Toten im Convention Center. Angst und Verwirrung waren ebenso grenzenlos wie die Verbreitung rassistischer Mutmaßungen und unbestätigter Gerüchte.
    Niemand leugnete, dass in der Stadt Chaos herrschte, aber jetzt stritt man sich darüber, wo das Chaos entstanden war. Bei den Bewohnern oder bei denjenigen, die man entsandt hatte, um für Ordnung zu sorgen? Kathy drehte sich der Kopf, als sie von der noch nie da gewesenen Konzentration von bewaffneten Männern und Frauen in der Stadt las.
    Sie las von den Söldnern. Unmittelbar nach dem Sturm hatten reiche Unternehmen und Einzelpersonen private Sicherheitsfirmen aus der ganzen Welt engagiert. Mindestens fünf verschiedene Organisationen hatten Sicherheitskräfte in die Stadt geschickt, darunter auch israelische Söldner, die für eine Firma namens Instinctive Shooting International arbeiteten. Kathy stockte der Atem. Israelische Kommandotruppen in New Orleans? Das musste es gewesen sein, dachte sie. Ihr Mann war Araber, und es gab israelische Milizionäre im Stadtgebiet. Sie zog voreilige Schlüsse.
    Und dann die Blackwater-Soldaten. Blackwater USA, eine private Sicherheitsfirma, die ehemalige Soldaten aus den USA und anderen Ländern beschäftigte, hatte Hunderte Leute in das Krisengebiet geschickt. Sie waren vom Heimatschutzministerium offiziell beauftragt worden, für Ordnung zu sorgen. Sie waren in voller Kampfmontur eingetroffen. Manche trugen Dienstmarken, die sie als Deputys der Polizei des Staates Louisiana auswiesen.
    Kathy regte sich furchtbar über die vielen Waffen auf. Ihr Bruder war in der Nationalgarde gewesen, und sie wusste, wie die bewaffnet war. Sie fing an, Berechnungen anzustellen. Wenn jeder Blackwater-Söldner mindestens zwei Schusswaffen bei sich trug, dann ergab das Hunderte 9-mm-Pistolen von Heckler & Koch, Hunderte M-16- und M-4-Sturmgewehre.
    Sie hatte das Gefühl, die Erklärung für das Verschwinden ihres Mannes gefunden zu haben. Alles andere ergab keinen Sinn. Das hier war die einzig logische Antwort. Einer dieser Söldner, der sich niemandem gegenüber verantworten musste, hatte Zeitoun erschossen. Und jetzt vertuschten sie es. Deshalb hatte sie noch nichts erfahren. Das Ganze würde einfach vertuscht werden.
    Aber es gab auch viele amerikanische Soldaten in der Stadt. Die hatten die Lage doch bestimmt unter Kontrolle. Soweit sie das feststellen konnte, befanden sich mindestens zwanzigtausend Angehörige der Nationalgarde in New Orleans, und täglich wurden es mehr. Aber dann dachte sie wieder an die Waffen. Wenn jeder dieser Soldaten mindestens ein M-16-Gewehr bei sich hatte, dann waren zwanzigtausend Automatikgewehre in der Stadt. Zu viele. Und falls Gouverneurin Blanco recht damit hatte, dass diese Veteranen geradewegs aus Afghanistan und dem Irak kamen, dann konnte das für ihren Mann nichts Gutes bedeuten.
    Sie sah sich andere Webseiten an, grub tiefer. Im Stadtgebiet von New Orleans hielten sich 5750 Armeesoldaten auf. Fast eintausend Beamte der Polizei von Louisiana, viele davon im Rahmen von Sondereinsatzkommandos, die für den Häuserkampf bewaffnet waren. Vierhundert Grenzschutzbeamte und Angehörige lokaler Strafverfolgungsbehörden. Das schloss über einhundert Männer von den Border Patrol Tactical Units ein – Männer, die normalerweise mit Granatwerfern, Schrotflinten, Rammböcken und Sturmgewehren bewaffnet waren. Es gab vier sogenannte Maritime Security and Safety Teams, die neuen taktischen Einheiten der Küstenwache, die das Heimatschutzministerium im Zuge des Krieges gegen den Terror aufgestellt hatte. Jedes dieser Teams war mit M-16-Gewehren, Schrotflinten und Handfeuerwaffen Kaliber .45 ausgerüstet. Es gab fünfhundert FBI-Agenten und ein Sonderkommando der US-Marshalls. Und Scharfschützen. Sie schickten Scharfschützen in die Stadt, um Plünderer und Gangster zu erschießen. Kathy addierte alles zusammen. Es waren mindestens achtundzwanzigtausend Schusswaffen in New Orleans. Und das war die Mindestzahl, wenn man nur Gewehre, Handfeuerwaffen und Schrotflinten zählte.
    Sie konnte nicht mehr hinsehen. Sie machte den Computer aus und ging auf und ab. Sie legte sich aufs Bett und starrte die Wand an. Sie stand auf, ging ins Bad und inspizierte die neue weiße Strähne in ihrem

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