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Zeitreisende sterben nie

Zeitreisende sterben nie

Titel: Zeitreisende sterben nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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war, und er hatte das Buch an allen möglichen augenfälligen Orten im Haus liegen lassen, um seinen Sohn dazu zu ermuntern, einen Blick hineinzuwerfen. Shel hatte tatsächlich Auszüge des Buches gelesen, aber Lincoln war viel zu weit entfernt und zu viel für ihn zu einer Zeit, in der sein primäres Interesse Mädchen und Baseball galt.
    Aber es brachte ihn auf eine möglicherweise erfolgversprechende Strategie. Auf jeden Fall war es alles, was er hatte. Zusammen mit Dave fing er an, dann und wann bei Lincoln-Douglas-Debatten reinzuschauen. Sie wohnten der ersten bei, die am 21. August 1858 in Ottawa, Illinois, stattgefunden hatte, und auch den anderen sechs bis zur letzten am 15. Oktober desselben Jahres. Douglas setzte sich für ein Amerika ein, das »wie der Nordstern alle Freunde der Freiheit leiten wird« und selbiges durch die Aufrechterhaltung der Sklaverei innerhalb seiner Grenzen erreichen sollte.
    »Diesem Mistkerl würde ich zu gern ein paar Fragen stellen«, kommentierte Dave.
    »Das glaube ich gern«, sagte Shel. »Aber ich denke, Mr Lincoln hat ihm eine einleuchtende Antwort erteilt.«
    Aber natürlich wählte das Volk am Ende Douglas. Und sollte Shels Vater dort gewesen sein, so hatten sie ihn nicht entdecken können.
    Nach Lincoln-Douglas stand ihnen der Sinn nach etwas Leichterem. Etwas, das gefeiert werden konnte. Folglich sprangen sie in das New York des 15. Augusts 1945, V-J-Day, der Tag des Sieges über Japan, und wohnten den Feierlichkeiten zum Kriegsende bei. (Shel hatte vorgeschlagen, zu diesem Ereignis in Militäruniform zu erscheinen, aber Dave hatte sich geweigert. »Nein. Das ist mehr oder weniger das Gleiche wie das, was wir in Selma getan haben.« Shel war beleidigt, gab aber nach.)
    Da sie nicht wussten, wo sie mit ihrer Suche weitermachen sollten, ließen sie sich treiben. Sie besuchten Konzerte des Kingston Trios und die Festivitäten, mit denen im alten Athen der Frühling gefeiert wurde, verfolgten die jährliche Anrufung der Athene und genossen die Aufführung von Stücken, die seit zweitausend Jahren niemand mehr gesehen hatte.
    Es war eine schwindelerregende Zeit.

    Und es gab auch ernsthaftere Momente. Am 10. Januar des Jahres 49 vor Christi, als Cäsar mit seiner Armee den Rubikon überquerte, saßen sie mitten auf dem Fluss in einem Boot und gaben vor zu angeln. »Er ist nicht dabei«, sagte Dave.
    »Wer ist nicht dabei? Dad?«
    »Es heißt, Cäsar sei nicht sicher gewesen, ob er die Sache wirklich durchziehen soll. Darum hat er am Ufer gezögert, bis ein Gott aufgetaucht ist und ihn angewiesen hat hinüberzugehen.«
    »Du glaubst doch nicht, dass es wirklich so war?«
    »Nein. Aber ich war in Versuchung, die Rolle dieses Gottes zu spielen.« Er grinste, als er Shels entsetzte Miene sah. »Nur ein Witz.«
    Sie gesellten sich zu der Menge, die auf der National Mall die »Ich habe einen Traum«-Rede verfolgte. Im August 1944 waren sie in Paris, als die Alliierten landeten.
    Michael Shelborne hatte auch Charles Lamb gemocht, also besuchten sie London im Frühjahr 1820 in der Absicht, den Essayisten aufzusuchen. Aber sie trafen außerhalb der Stadt ein und fielen beinahe augenblicklich Straßenräubern in die Hände. Es war helllichter Tag, aber das schien ihnen nichts auszumachen. Die Banditen lachten und forderten sie auf, ihre Taschen zu leeren. Dave und Shel verabschiedeten sich achselzuckend und kehrten in Shels Haus zurück.
    Als sie die Konverter neu eingestellt hatten, um näher am Ziel anzukommen, versuchten sie es noch einmal. Sie kalkulierten genug Zeit ein, dass Lamb den Heimweg von seiner Arbeit als Sekretär der Ostindien-Kompanie bewältigen konnte, und kamen am frühen Abend an. Dieses Mal hatten sie mehr Glück und landeten im Covent Garden, gerade ein paar Blocks von seinem Zuhause in der Russell Street entfernt. Unterwegs kauften sie eine Flasche Wein und stellten sich ihm an der Tür als Bewunderer seiner Arbeit vor. Lamb, der große Essayist, zu diesem Zeitpunkt bereits über vierzig, hatte noch nicht viel zu Papier gebracht, was von Bedeutung gewesen wäre.
    »Wir werden im nächsten Jahr das London Magazine wiederbeleben, Mr Lamb«, behauptete Shel. »Wir würden gern ein wenig von Ihrer Zeit beanspruchen, wenn Sie keine Einwände haben.«
    »Gewiss, Gentlemen«, sagte er. »Bitte, treten Sie ein.« Lamb war hager und von durchschnittlicher Größe und hatte ein angenehmes Lächeln. Er führte sie ins Wohnzimmer, wo eine Frau in mittleren Jahren in ein

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