Zeitriss: Thriller (German Edition)
empfehle Ihnen daher Wohlverhalten. Nach allem, was ich schon für Sie getan habe, erweise ich Ihnen auch noch diesen Gefallen, Lord Elgin. Wenn Sie meine Rolle hier aufdecken, werde ich, der rätselhafte, blauäugige Chinese, in die Geschichte eingehen und Sie bloß als meine Marionette genannt werden.«
Elgin liefen Schweißperlen übers Gesicht. »Aber wieso sind Sie noch am Leben?«
»Hier sind Kräfte am Werk, die Sie nicht verstehen, Lord Elgin. Die Macht, Leben zu geben und zu nehmen, ist auf meiner Seite. Sie haben auf dem Schlachtfeld gesiegt, weil ich da war und Sie geführt habe. Sie sind einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, und ich verlange meinen Lohn. Seien Sie dankbar, dass ich nicht in der Stimmung bin, für Ihren elenden Überfall auf Yuan Min Yuan Rache zu nehmen.« Randall zeigte in die Halle. »Die Zeit für Fragen ist vorbei. Unterschreiben Sie umgehend, und verlassen Sie die Stadt.«
Lord Elgin trat zurück und ließ den Vorhang los.
Sichtlich verblüfft ging er langsam zu seinem Stuhl. »Geben Sie mir eine Feder«, sagte er schließlich. Sobald er sie in der Hand hielt, tauchte er die Spitze in die Tinte und setzte im Namen der Königin seine Unterschrift auf das Papier.
Der zweite Opiumkrieg war zu Ende.
50.
Kalifornien, Nordamerika
Hafen von San Diego
17. November 2084
Ortszeit: 14.30 Uhr
112 Tage nach dem Esra-Transport
Auf der Straße rings um den Hafen herrschte viel Verkehr, und Wilson musste eine volle Minute warten, ehe er auf die andere Seite laufen konnte, wo das Café lag. Der Uferstreifen war sehr belebt, und in den vielen Jachthäfen lagen die unterschiedlichsten Schiffe, Jachten jeder Größe, Vergnügungsdampfer und mindestens sechs Fregatten der Marine. Es gab sogar einen sehr alten Flugzeugträger, die USS Midway , die zum Museum umgebaut worden war.
Wilson war vier Monate lang segeln gewesen und fühlte sich ein bisschen eingeschüchtert von den vielen Leuten und den vielen Elektrowagen und Motorrollern, die durch die Straßen schwirrten. Verglichen mit der Einsamkeit auf See war das hier ein Tollhaus.
Am Tag nach Randalls Transport war er zu den Bermudas geflogen, wo seine zweiundzwanzig Meter lange Beneteau seit einem Jahr auf ihn wartete. Er hisste die Segel, lichtete den Anker und segelte nach Süden Richtung Kuba, allein durch die ganze Karibik. Er legte an, wo er wollte, um manchmal eine Woche oder länger zu bleiben. Er besuchte die Dominikanische Republik, war auf einer schönen kleinen Insel bei San Pedro de Macoris, dann in Puerto Rico in der Nähe von Ponce auf der Südseite der Insel. Irgendwann segelte er bis nach Montserrat, kehrte dort um und fuhr nach Cancún in Mexiko. Dort holten ihn Erinnerungen an die Zeit mit Helena ein, was ihm auch nicht aus seiner schlechten Laune heraushalf. Als ihm einfiel, dass er noch nie durch den Panamakanal gesegelt war, nahm er Kurs nach Südosten und geriet vor der Küste Costa Ricas in einen späten Wirbelsturm der Stufe drei. Das war eigentlich der größte Spaß auf der ganzen Reise, auch wenn seine Kevlarsegel hinterher ein bisschen mitgenommen aussahen. Dann fuhr er durch den Kanal und die Westküste Nordamerikas hinauf und machte nur in Acapulco für ein paar Stunden halt, um etwas Anständiges zu essen.
Sowie er in den Hafen von San Diego einlief, schaltete er seinen Handheld ein und löschte sämtliche Nachrichten, ohne sie abzuhören, einschließlich E-Mails und Hologrammen. Es war Zeit für einen neuen Anfang. Nach allem, was er in den letzten Monaten erlebt und getan, und nach allem, was er ganz sicher verpasst hatte, weil er einfach abgehauen war, sehnte er sich jetzt nur nach einem: einem Riesencappuccino. Er betrat das weitläufige Café und ging sofort zum Automaten, um seine Bestellung einzugeben, worauf seine Kreditkarte in der Hosentasche vibrierte.
Auf der gut besetzten Terrasse entdeckte er noch einen freien Tisch und ließ sich daran nieder. Die Sonne schien, es wehte ein warmer Wind, und ringsherum herrschte gute Laune. Als er den Deckel von seinem Kaffee entfernte, roch er an dem Schaum; der süße Duft von Milch und Schokolade stieg ihm in die Nase. Er trank einen Schluck, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
In dem Moment hörte er hinter sich eine vertraute Stimme. »Ich finde immer noch, dass Sie der blödeste Kerl sind, den ich kenne.«
Wilson erstarrte für einen Moment, schaffte es aber, die Augen zuzulassen. »Da werde ich Ihnen nicht widersprechen«, erwiderte er und trank
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