Zeitriss: Thriller (German Edition)
Transport aufgenommen.«
Wilson lief es eiskalt über den Rücken.
»Randall Chen ist an einem Aufstand beteiligt, dem sogenannten Boxeraufstand«, erklärte Author.
»Ich habe alles über China gelesen und nie etwas von einem Boxeraufstand gehört.«
»Weil sich die Geschichte geändert hat, Wilson – während der vergangenen zwei Wochen. Randall Chen ändert sie, weil er vom Auftragstext abweicht.« Sein drängender Ton war aufrichtig. »Das Foto von ihm stammt von 1899; man erkennt sogar die blauen Augen.«
»Woher wollen Sie wissen, ob es echt ist?«, fragte Wilson. »Es könnte manipuliert sein. Außerdem wäre er darauf siebzig Jahre alt.« Wilson verschränkte die Arme.
»Glauben Sie, ich weiß das nicht?«, erwiderte Author kopfschüttelnd. »Hören Sie mir jetzt zu Ende zu, oder was?«
In seinem Blick lag ein Ernst, den Wilson von ihm gar nicht kannte. »Also gut, erzählen Sie weiter.«
»Das Foto wurde von einem Journalisten aufgenommen, bei einer eigenartigen Kampfsportzeremonie in der Provinz Hebei, südwestlich von Peking. Der Mann auf dem Bild nannte sich der Meister und führte China in einen Krieg, wie die Welt ihn noch nicht erlebt hatte. Sein einziges Ziel war es, jeden Ausländer in China zu töten, wirklich jeden, und er nahm eine Million chinesische Bauern in seine Boxer-Armee auf. Der Meister gab darauf den Befehl, die Gesandtschaften in Peking zu belagern. Daraufhin machten die Großmächte mobil – die Briten, Franzosen, Deutschen, Russen, Italiener, Österreicher, Japaner und die Amerikaner –, um ihre Bürger zu retten. Mit 55 000 Mann und über vierhundert Schiffen wird China erbarmungslos angegriffen. Und in diesem Augenblick erklärt Kaiserin Cixi dem Rest der Welt den Krieg.«
»Das soll wohl ein Witz sein«, sagte Wilson.
»Das ist wahr. Die Boxer glauben außerdem, dass ihnen die Kugeln und Säbel der ausländischen Teufel nichts anhaben können. Sie halten sich für unverwundbar. Überlegen Sie mal, was das heißt.«
Wilson rieb sich die Schläfen. »Das darf nicht wahr sein.«
»Während der letzten vierzehn Tage haben sich die Einträge in Data-Tran in einem fort geändert. Die Informationen ergeben einen neuen Ablauf der Geschichte. Sie verändert sich. Wir haben ein Team zusammengestellt, das die Sache verfolgt. Es ist eindeutig wahr.«
»Was ist mit Büchern? Mit gedruckten Texten? Verändern die sich auch?«
»Ja, alles. Nur unsere Erinnerung ändert sich nicht. Sie können das selbst nachprüfen.«
Der Ernst der Lage stand in krassem Gegensatz zu der entspannten Atmosphäre in dem Café. Wilson hatte sich nie überlegt, wie es wäre, wenn ein Aufseher in der Vergangenheit die Weichen anders stellte. Doch da alle Zeit simultan existierte, musste es möglich sein, vergangene Taten und Ereignisse umzuwerfen. »Erzählen Sie mir von diesem Boxeraufstand.«
Der Professor schob seinen Kaffeebecher beiseite. »1898 behauptete eine obskure Sekte in Shantung, die sich die Gesellschaft der Großen Schwerter nannte, übernatürliche Kräfte zu besitzen. Angeblich konnten sie Kugeln mit den bloßen Händen auffangen. Das Gerücht von ihrer Unverwundbarkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den Nordprovinzen, und sie hielten Massenveranstaltungen mit Besessenheitstrancen ab, um Mitglieder zu gewinnen. Ihre Stärke sprach die hungernden chinesischen Bauern an, denn die waren wegen der Dürren und Heuschreckenplagen, die zwischen 1880 und 1900 das Land heimsuchten, entrechtet worden.«
»Es gab Dürren?«, fragte Wilson völlig perplex.
»Ja, zwanzig Jahre lang, und dazwischen immer wieder Überschwemmungen. Die Chinesen gaben den Ausländern die Schuld daran. Die Lebensmittel waren knapp, und die Bauern, die einen Sündenbock suchten, schlossen sich zu Tausenden den Boxern an. Diese waren streng monarchistisch und schworen, jeden Ausländer und jeden zum Christentum konvertierten Chinesen zu töten, der es wagte, auf chinesischem Boden zu stehen. Sie wurden Boxer genannt, weil die Art ihrer Kampfkunst an das Boxen erinnerte.«
»Waren sie wirklich unverwundbar?«, fragte Wilson.
»Von manchen wurde das behauptet, andererseits wurden Boxer hingerichtet, die von Ausländern verwundet worden waren, mit der Begründung, sie hätten nicht fest genug an ihre Aufgabe geglaubt – es hieß, der mangelnde Glaube habe ihren Schutz geschwächt. Das Boxerheer war im Januar 1900 auf eine Million angewachsen. Dann begannen sie, die Ausländer und Konvertiten systematisch zu
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