Zeitriss: Thriller (German Edition)
geschafft, sein Verhalten zu ändern. Vielleicht kam das, weil er im selben Zeitraum drei Mal dem Tod von der Schippe gesprungen war, sinnierte er. Einmal hatte er mit der Tiger Moth eine Bruchlandung hingelegt – der linke untere Flügel war abgebrochen, als er aus einer kopfüber geflogenen Schleife, die er zu dicht über dem Boden ausgeführt hatte, nicht wieder richtig hochkam. Zwei Wochen zuvor war ihm in einer Wand des Tafelbergs von Kapstadt ein Bohrhaken aus dem Felsen gerutscht. Wilson hatte sich zwei Tage lang in der neunhundert Meter hohen Steilwand abgeseilt, bevor alles schiefging. Er stürzte dreißig Meter tief auf einen Felsvorsprung und konnte nur aufgrund seiner Selbstheilungsfunktion unverletzt den Rückweg antreten. Und gestern noch war er im Grand Canyon gerade so mit dem Leben davongekommen.
Trotzdem würde er weiter das Schicksal herausfordern, das war ihm klar; als wollte er sich beweisen, dass ihn nichts umbringen konnte. Je gefährlicher ein sportliches Unternehmen, desto größer sein Drang, es zu versuchen. Früher oder später wäre es mit seinem Glück vorbei, egal wie unfehlbar seine Kräfte waren.
Ein paar Augenblicke später kam Randall Chen herein, der Esra-Aufseher. Er erschien in der Tür und schritt selbstsicher in den Raum. Seine Selbstsicherheit war so groß, dass man meinte, er könnte vor sich das Meer teilen. Er war ein gutaussehender Chinese, wohl proportioniert, gesund und kräftig und machte den Eindruck, als stünde er im Einklang mit dem Leben und seiner Rolle darin. Seine kurzen, glatten schwarzen Haare waren links gescheitelt, und er trug einen engen dunkelgrauen Trainingsanzug der Enterprise Corporation, der seine schlanke, muskulöse Figur betonte.
Wilson arbeitete seit Längerem mit ihm, und trotzdem war er noch jedes Mal verblüfft, wenn er das intensive Blau seiner Augen sah. Sie hatten die leuchtende Farbe tropischer Meere bei strahlendem Sonnenschein. Seine Gen- EP -Umwandlung, bei der der genetische Aufbau modifiziert wurde, war ein spektakulärer Erfolg gewesen, sodass es nunmehr möglich war, seine Moleküle in Quark-Gluonen-Plasma zu zerlegen, ein notwendiger Schritt beim Transport durch die Zeit. Nur ein Gen- EP besaß die molekulare Struktur, die den Transportprozess überstehen konnte. Die Änderung der Augenfarbe war eine Nebenwirkung der Modifikation.
Wilson dagegen war ein natürlicher Gen- EP und konnte daher ohne vorherigen Modifikationsprozess durch die Zeit transportiert werden. Ein Gen- EP war ein lebender Organismus mit einem DNA -Strang, der die Nukleotide Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin in einem besonderen Muster aufwies. Von neun Millionen Menschen wurde nur einer mit dieser DNA -Struktur geboren, und jeder hatte diese verblüffend blauen Augen.
Randalls Umwandlung hatte ein Jahr peinlich genauer Planung erfordert. Aber nun war er bald so weit, dass man ihn in die Vergangenheit senden konnte – wo er den Verlauf des zweiten Opiumkrieges verändern und zugleich den Fortbestand der Geschichte sichern sollte.
»Wie geht es Ihnen beiden?«, fragte Randall höflich.
Wilson nickte ihm grüßend zu und ging mit ihm zum Konferenztisch. »Ganz gut, Randall, danke.«
Andre warf einen raschen Blick auf die Zeitanzeige seines Handheld. »Schön, dass Sie beide zur Abwechslung mal pünktlich sind.«
»Wir bemühen uns«, erwiderte Wilson.
Randall warf ihm ein verständnisvolles Lächeln zu, während sie sich hinsetzten.
»Gut, kommen wir zur Sache«, sagte Andre. Nach einem Knopfdruck auf sein Handheld erschien ein holografischer Bildschirm über dem Tisch, der bis unter die Decke reichte. Egal aus welchem Winkel man sich dem Bild näherte, es entstand immer der Eindruck, als stünde man gerade davor, und wenn man den Blick auf die Gegenstände und Mitarbeiter dahinter verlagerte, wurde es transparent.
Von der Decke bis zur Tischplatte öffnete sich eine Liste von über zweihundert Aufgaben.
»Wir liegen hinter dem Plan zurück«, sagte Andre mit einer Spur Aggression. »Sind Sie schon mit dem Überblick über das Transportsystem durch?«
Wilson lehnte sich zurück. »Ich habe Randall gesagt, er soll sich damit nicht aufhalten. Das Informationsprogramm, das Sie ausgewählt haben, ist viel zu detailliert. Ich werde es ihm selbst erklären.«
»Das ist ungenügend!« Andre zeigte auf den Bildschirm. »Sehen Sie sich die vielen unerledigten Aufgaben an, Mr. Dowling. Dreiundzwanzig insgesamt.«
Wilson ließ sich einen Moment Zeit; er
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