Zeitriss: Thriller (German Edition)
tatsächlich, dass er mit dem Verräter etwas gemein hatte – sie wollten beide dasselbe.
Durch das Prasseln der Regentropfen hörte er den Säbelhieb und den klatschenden Aufprall erst des Kopfes, dann des Rumpfes.
Jetzt war es also ein Kampf um das Reich, schloss Senggerinchin weiter, zwischen zwei würdigen Gegnern, die dasselbe Ziel hatten: den Thron des Kaisers und seinen grenzenlosen Reichtum, Cixi und ihre Freuden eingeschlossen.
Sein Puls raste. Endlich ein Kampf, den es zu gewinnen lohnte, und es erfüllte ihn mit Glück, dass er einem so fähigen Mann gegenüberstand. Dschingis Khan hatte bei seinem Tod nur eines bedauert: dass er nie einem Mann von gleichem Format gegenübergestanden hatte. Wie es schien, würde er dieses Schicksal nicht teilen. Keine fünfzig Kilometer entfernt atmete sein edler Gegner. Davon hatte er immer geträumt.
»Bringt die Generäle her!«, brüllte er.
Die Tataren mussten unbedingt gefechtsbereit sein, wenn der Zeitpunkt gekommen war. Inzwischen war ihr Heer auf über zehntausend Reiter angestiegen, und die Zahl der Fußsoldaten hatte sich verdoppelt. Cixi und der Kriegsrat hielten bislang Wort hinsichtlich der Truppen. Und wenn das so weiterging, kämen im Lauf der nächsten Woche noch zwanzigtausend Mann dazu. Dann wäre er bereit. Die Tataren würden den erbärmlichen Briten und Franzosen mehr als nur gewachsen sein, erst recht sobald deren Nachschublinie überdehnt war.
Jetzt wünschte er sich nicht mehr, dass die roten Teufel einen Fehler machten. Jetzt konnten sie Tientsin haben, ganz ohne List, entschied er. Auf den Hirsefeldern östlich vor Peking würden sich die beiden Heere begegnen. Es würde ein persönlicher Zweikampf werden – ein legendärer General gegen den anderen. Der Blauäugige hatte die überlegene Artillerie, doch er selbst besaß die größere Zahl Soldaten, die Entschlossenheit des Volkes und das Blut Dschingis Khans, das in seinen Adern floss.
Diesen Kampf würde nur einer von beiden überleben. Und für den Sieger wäre der Gewinn unermesslich: Der Thron und die Schätze des Reiches wären sein.
16.
Kalifornien, Nordamerika
Enterprise Corporation
Mercury-Labor, Untergeschoss A 5
22. Juni 2084
Ortszeit: 10.20 Uhr
62 Tage vor dem Esra-Transport
Jeder, der das Mercury-Labor zum ersten Mal sah, war sprachlos, und Randall erging es nicht anders. Egal wie detailliert die Technik vorher erklärt worden war, man konnte unmöglich darauf vorbereitet sein.
Dieses Labor war die fortschrittlichste wissenschaftliche Anlage der Welt. Die Halle war hell erleuchtet und halb so groß wie ein Hallenfußballfeld. Die schwarze Kuppeldecke war am Rand drei Stockwerke und in der Mitte sechs Stockwerke hoch. Im Falle eines katastrophalen Fehlers – einer Explosion etwa – würde der Raum hydraulisch in sich zusammenstürzen, sodass das Gebäude imstande wäre, eine Druckwelle zu absorbieren, wie sie bei einer nuklearen Explosion entstand.
Aus Sicherheitsgründen befand sich das Labor fünf Stockwerke unter der Erde und hatte ein isoliertes Belüftungssystem. Es bezog seine Energie aus einer Reihe hydroelektrischer Generatoren, die im Süden des berühmten Del Norte State Parks an der Mündung des Klamath standen. Die immense Wasserbewegung der Gezeiten erzeugte mehr als genug Energie, um den gesamten Firmenkomplex zu versorgen.
Die Westwand des Labors bestand aus bombensicherem Glas, dahinter lagen die verschiedenen Kontrollbereiche und Beobachtungsstände. Das war zweifellos das technisch ausgeklügeltste Testgebiet, das je gebaut worden war. Aber noch beeindruckender als die Halle selbst waren die Geräte darin, die nach den Plänen der Qumran-Rollen gebauten Komponenten der Zeitmaschine.
Andre Steinbeck und Wilson Dowling führten Randall und Professor Author durch die Anlage. Andre war ein Bild jugendlicher Ordentlichkeit, wogegen Wilson ein bisschen ungepflegt wirkte; der oberste Jackenknopf stand offen, seine Haare hatten länger keinen Friseur gesehen, und unrasiert war er auch.
Seit sie das Labor betreten hatten, konnte Randall sich nicht vom Anblick der glänzenden Transportkapsel losreißen, die, vom hellsten Scheinwerfer angestrahlt, in der Mitte knapp über dem Boden schwebte. Die glasklare, doppelt mannshohe Kugel war umgeben von drei Titanringen, die wie Hula-Hoop-Reifen aussahen und beim Startvorgang auf komplizierte Weise um deren Oberfläche kreisten. Rings um die Transportkapsel waren fünfundsechzig Laserkanonen –
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