Zeitriss: Thriller (German Edition)
möglicherweise ausgelöst von einer Veränderung der Erdbahnschwankungen. Innerhalb eines kurzen Zeitraums würde alles pflanzliche Leben sterben und somit auch alles tierische.«
»Eine interessante Interpretation«, meinte GM , offenbar sorgfältig auf seine Wortwahl bedacht. »Und was glauben Sie, worin diese Lebenskraft besteht?«
»Sie hat mit der Verbotenen Stadt zu tun«, antwortete Wilson. »Mehr weiß ich nicht. Die Chinesen sind anscheinend ihre Bewahrer. Solange sie die Verbotene Stadt regieren, ist Mutter Natur wohl geschützt. Aber das wissen Sie ja. Warum fragen Sie mich?«
»Ihre Gedanken interessieren mich. Die Chinesen und ihre mandschurischen Vettern haben zweifellos die höchstentwickelte Kultur ihrer Zeit gehabt«, sagte GM , als wäre dies das entscheidende Thema.
»Zweifellos«, bestätigte Wilson. »Chinesische Weisheit und chinesische Medizin sind selbst heute noch in der ganzen Welt hoch angesehen. Doch nach allem, was ich weiß, gehören die Chinesen auch zu den grausamsten und korruptesten Völkern der Geschichte.«
»Das mag richtig sein, aber wenn mein Akupunkteur nicht wäre, hätte ich seit zwanzig Jahren keinen Sex mehr«, sagte GM . »Sie wissen offensichtlich, was sie tun.«
Wilson grinste. »Dann hoffe ich, dass Sie noch weitere 120 Jahre Sex haben.«
»Das wäre schön.«
Wilson sah an seinem Blick, dass das nicht der Fall sein würde. Darum wartete er ab, was passierte, damit er endlich erfuhr, warum der mächtigste Mann der Welt unangekündigt und ohne Begleitung in seinem Büro aufgekreuzt war. Eine Minute lang herrschte gespanntes Schweigen, während sich die Männer ansahen und dachten, der andere würde als Erster das Wort ergreifen.
Nachdem Wilsons Unbehagen immer größer wurde, lenkte er ein. »Sie müssen mir sagen, warum Sie hier sind.«
»Ich brauche Ihre Hilfe.« GM trommelte mit dem Daumen auf dem Griff des Gehstocks, der die Form eines Flamingos hatte. »Ich will nur aus einem Grund noch bis zum Ende des Jahres durchhalten – damit Esra zu Ende geführt wird.«
»Freut mich zu hören, aber warum kommen Sie damit zu mir? Esra ist Davins und Andres Aufgabe. Ich helfe nur ein bisschen.«
»Die sind Wissenschaftler, Mr. Dowling. Sie werden dafür sorgen, dass die Systeme fehlerfrei arbeiten. Woran ich wirklich interessiert bin, ist Erfolg.«
»Randall Chen ist Ihr Aufseher«, sagte Wilson möglichst überzeugend. »Ich denke, er wird seine Sache ausgezeichnet machen.«
»Hier geht es um mehr, als man auf den ersten Blick meint«, bekannte GM .
Wilson lag ein Scherz auf der Zunge, um die Spannung zu brechen, doch das wagte er nicht. »Was heißt das?«
»Sind Sie vertrauenswürdig?«, fragte GM .
»Der Zugang zu geheimen Dingen ist mir verwehrt, falls Sie das meinen. Aber ich kann Ihnen sagen, was ich gesehen habe. Zuerst waren Sie und Jasper gegen Esra. Sie dachten, eine Zeitreise würde die Firma in Gefahr bringen. Dann haben Sie sich verblüffenderweise doch noch mit allem einverstanden erklärt. Nach Jaspers damaligem Gesichtsausdruck zu urteilen, hat er nur gezwungenermaßen zugestimmt. Was sagt mir das? So wie ich Sie kenne, ist das soziale Gewissen nicht Ihre stärkste Antriebskraft. Sie haben sich die Zeit genommen, den Auftragstext zu lesen, und dabei ist Ihnen etwas ins Auge gesprungen. Es kann nicht anders sein.«
Der alte Mann schmunzelte zum ersten Mal. »Ich verstehe, warum Barton Sie gut leiden konnte.«
»Warum unterstützen Sie diese Mission?«, fragte Wilson.
GM zögerte, dann sagte er: »Ich sterbe, Mr. Dowling. Meine Ärzte haben mir mitgeteilt, dass ich keine sechs Monate mehr zu leben habe. Ich habe eine seltene Blutkrankheit, die man nicht heilen kann. Selbst mein Akupunkteur sagte mir gestern, dass niemand ewig lebt.«
»Das tut mir leid. Das ist keine gute Neuigkeit.«
»Ich bin kein Mann, der gern verliert«, sagte GM sofort. »Doch das Spiel um meine Sterblichkeit scheine ich nicht gewinnen zu können. Das habe ich jedenfalls geglaubt, bis ich den Auftragstext gelesen habe.«
Wilson konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Diese Aufträge sind sehr wichtig, GM . Nein, das trifft es nicht annähernd. Sie regeln den Betrieb unseres Planeten. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Die Schumann-Resonanz wirkt und hat schon Menschen den Tod gebracht. Ich habe keine Ahnung, was Sie vorhaben, aber ich rate Ihnen, es zu vergessen, die Dinge so zu lassen, wie sie sind, und Ihre ganze Kraft in das Gelingen dieser Mission zu
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