Zeitriss: Thriller (German Edition)
zuversichtlich. »Sie wollen über ihre Kapitulation verhandeln.«
Randall und Sir Hope konzentrierten sich auf das Geschehen auf der Stadtmauer. Pater Duluc und Captain Brabazon wurden mit auf dem Rücken gefesselten Händen an den Haaren zur nächsten Wehrplatte geschleift. Man trat ihnen die Beine weg, sodass sie auf die Knie fielen.
Elgin hielt sein Fernglas auf den chinesischen Reiter gerichtet, der schnell näher kam. »Am Ende sind die Chinesen doch Feiglinge«, meinte er selbstsicher.
»Sehen Sie zur Stadtmauer«, erwiderte Randall. »Ich fürchte, wir erhalten gerade ein Ultimatum.«
Elgin schwenkte das Glas herum und sah im nächsten Augenblick, wie Pater Duluc der Kopf abgeschlagen wurde und der Rumpf mit wehender Kutte über die Mauer fiel. Dann wandte sich der Henker in gleicher Weise Brabazon zu und stieß den Geköpften in die Tiefe.
»Diese Schweinehunde«, hauchte Lord Elgin.
Trotz der Schrecken, die Randall nun schon erlebt hatte, wurde ihm schlecht beim Anblick dieses unbekümmerten Mordens. Er atmete tief durch, um konzentriert zu bleiben. Nie würde er den Gesichtsausdruck Brabazons vergessen, wie er hilflos zu seinen Soldaten hinüberschaute, in der Gewissheit zu sterben, ehe sie zu seiner Befreiung einen Finger rühren könnten.
In dem Moment sprengte der chinesische Bote auf Lord Elgin zu. Sein kleines, zottiges Pony schnaubte von dem schnellen Ritt. Der Reiter, ein mongolischer Leutnant mit dem Symbol des Schwarzen Horqin-Banners auf der Brust, zügelte es abrupt. Mit ernster Miene knöpfte er seine Weste auf und zog ein dickes, gefaltetes Papier heraus, das er Lord Elgin hinhielt.
Dieser tat sein Bestes, um seinen Zorn zu verbergen, als er einem Dragoner befahl, abzusitzen und den Brief des Boten entgegenzunehmen.
Der Mongole überließ ihm das Schreiben, zeigte aber auf Randall. »Für Euch ist der Brief«, sagte er in fließendem Mandarin.
»Was hat er gesagt?«, fragte Lord Elgin innerlich schäumend.
»Dass ich die Botschaft für Sie übersetzen soll«, antwortete Randall. Der Korporal übergab sie dennoch Lord Elgin, der sie an Randall weiterreichte.
Den Blick auf den blauäugigen Chinesen gerichtet, sagte der Bote mit einem Nicken: »Ihr müsst die roten Teufel bewegen, sich zurückzuziehen.« Damit wendete er sein Pony und galoppierte zurück zur Stadt.
»Was steht drin?«, fragte Elgin ungeduldig.
Randall faltete das Schreiben auseinander und sah die Handschrift eines Gebildeten. Die Schriftzeichen waren makellos. »Wenn wir angreifen, wird alle fünf Minuten ein Gefangener hingerichtet.«
»Nichts wird mich abhalten, Harry und seine Leute zu befreien«, sagte Elgin resolut.
»Wenn wir sie retten sollen, müssen wir schnell sein«, drängte Sir Hope, das Bild der beiden Geköpften noch vor Augen. »Ich schlage einen Frontalangriff auf das Haupttor vor. Wir werden unsere Kanonen nahe heranbringen müssen, um Wirkung zu erzielen. Bei einem Abstand von sechzig Metern könnten wir es nach etwa zwanzig Minuten geschafft haben.«
»Wir müssen Tongzhou links liegen lassen«, hielt Randall dagegen.
»Sind Sie verrückt?«, schnauzte Lord Elgin. »Sie halten dort unsere Leute gefangen! Ich werde sie befreien und die Schuldigen festnehmen, um sie vor aller Augen zu bestrafen!«
»Dann tun Sie genau das, was Senggerinchin will«, erwiderte Randall, zog sein Fernglas aus und suchte die scheinbar einsame Gegend ab. »Ich bin sicher, seine Truppen verbergen sich in den Feldern und warten nur darauf. Ebenso im Wald dort drüben.«
Lord Elgin war krebsrot und schwitzte. »Haben Sie nicht gesehen, was sie da auf der Mauer getan haben? Sie verhöhnen uns! Ich will Vergeltung! Leiten Sie den Angriff auf Tongzhou ein!«
Randall riss Elgin an dem schwarzen Wollmantel zu sich herum, dass der Mann im Sattel schwankte. »Das ist eine Falle!«, schrie er ihn an. »Colonel Walker hat uns gewarnt, dass in den Hirsefeldern Tiger-Soldaten auf der Lauer liegen.«
»Wir greifen trotzdem an und –«
»Sie reagieren unbesonnen!«, fiel Randall ihm ins Wort. »Gerade darauf hofft der Mongole! Überlegen Sie doch, was hier vorgeht. Wir müssen Senggerinchin den ersten Zug überlassen.«
»Den hat er gehabt!«, brüllte Lord Elgin. »Er hat zwei unserer Verbündeten vor meinen Augen umbringen lassen!«
Randall drehte sich appellierend zu Sir Hope um. »Ich habe mich mit allen seinen Gefechten befasst. Er hat seine Gegner immer mit Täuschungsmanövern geschlagen. Darum ist er der
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