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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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wir müssen uns als solche verhalten.«
    »Versucht nicht, Euch von Eurer Treulosigkeit zu distanzieren, Su Shun. Mit Eurem schlechten Ratschlag habt Ihr dem Drachenthron geschadet, und ich werde dafür sorgen, dass Ihr zur Rechenschaft gezogen werdet.«
    Gemessen an den Gesichtern der Minister hatte Cixi sich deutlich genug ausgedrückt. Mu Yin rang nervös die molligen Hände. »Wir müssen für die schwierige Lage eine Lösung finden«, sagte er ehrerbietig. »Wir müssen uns auf ein Vorgehen einigen und es zum größtmöglichen Schutz des Drachenthrons ausführen.«
    Von weitem hörte man Trommelschläge hallen. Der Sohn des Himmels war auf dem Weg zu ihnen. Gegen alle Tradition stand der Hof nicht voll Tiger-Soldaten mit bunten Bannern. Das Treffen war erst eine halbe Stunde zuvor einberufen worden, und so war keine Zeit geblieben, um eine nennenswerte Anzahl Prozessionssoldaten zu versammeln, zumal viele mit der Kaiserlichen Garde zur Acht-Li-Brücke gezogen waren. An ihrer Stelle hatte sich ein kleines Regiment von sechzig Eunuchenkriegern in smaragdgrünen Uniformen draußen aufgestellt.
    Dies war die formloseste Ratsversammlung, die je in der Halle der Höchsten Harmonie abgehalten worden war. Sie zeugte davon, dass für das Reich der Mitte schwere Zeiten angebrochen waren. Nur fünfzehn Kilometer entfernt rückte ein Heer heran, das durch bloße Überzahl nicht aufzuhalten war. Jedermann stand die Angst ins Gesicht geschrieben, und Cixi fragte sich, was sie wohl sehen würde, wenn sie in die Augen des Kaisers blickte. Am Abend, als sie bei ihm gewesen war, hatte er dem Sieg entgegengeschaut. Doch heute dürfte der Schleier der Zuversicht zerrissen sein und sein Rückgrat bloßliegen. Dies war der Augenblick für Hsien Feng, die Schultern zu straffen und seine Zeit als Sohn des Himmels in Glanz zu tauchen.
    Draußen näherte sich die goldene Sänfte, getragen von sechzehn Eunuchen. Doch anstatt an der Marmorrampe anzuhalten, trugen sie sie die drei Terrassenstufen hinauf und bis zum mittleren Eingang der Halle. Während ihrer ganzen Zeit im Palast hatte Cixi noch keinen solchen Bruch der Gepflogenheiten erlebt.
    Langsam wurden die goldenen Vorhänge zur Seite gezogen und Hsien Feng erschien. Bei seinem Gesichtsausdruck sank Cixi das Herz: Es war der verängstigte Blick eines sechsjährigen Kindes, nicht die entschlossene Miene eines Kaisers. Schwächer und ausgezehrter denn je erschien er, als ihm zwei große Eunuchen behutsam aus dem Polstersitz halfen. Seine Krankheit verschlimmerte sich zusehends; seine Haut war sichtlich gelb geworden, das Zeichen der einsetzenden Gelbsucht. Auf dem Weg zu seinem Thron, dem größten und prächtigsten im Reich, achtete er allein auf seine Füße.
    Wie immer lagen die Eunuchen in heiliger Ehrerbietung vor dem Kaiser am Boden. Cixi und die Minister fielen auf die Knie, als er die Halle quälend langsam durchquerte. Mit großer Mühe erklomm er die mittlere Treppe und hielt sich nicht damit auf, die goldene Pracht zu würdigen. Auf beiden Seiten der gepolsterten Sitzfläche stand ein Bronzeelefant auf einem Podest, auf dessen Rücken in einer weiten Schale Räucherstäbchen brannten, sodass sich Hunderte weißer Rauchfäden in die Luft kringelten. Neben dem kunstvoll verzierten Podest bewachten zwei mannshohe, goldene Ibisse den Thron und blickten um Führung und Inspiration heischend zum Kaiser hin.
    Die scharlachrote Robe des Kaisers wurde gerichtet, ehe man ihm eine purpurne Decke über den Schoß legte. Die zwei Eunuchen huschten vom Thron weg, um links vom Altar auf Knien zu warten. Dann erst setzten die Trommeln im Hof aus.
    Cixi sprach als Erste. »Ihr erweist uns allen die Gunst Eurer Anwesenheit, Sohn des Himmels. Es ist an der Zeit, dass Eure Weisheit und Stärke den Weg erhellen.«
    »Durch Eure Gegenwart gewinnen wir Ehre und Kraft, Himmlischer Prinz«, sagte Mu Yin mit zitternder Stimme. »Denn dies ist ein dunkler Tag. Ernste Nachrichten erreichen uns vom Schlachtfeld, wo die roten Teufel unser Heer an der Acht-Li-Brücke besiegt haben. Sie haben überlegene Waffen und Taktiken gegen uns eingesetzt. Und trotz der Tapferkeit unserer Streitkräfte haben wir viele Männer verloren und sahen keine andere Möglichkeit als einen gestaffelten Rückzug. Unsere Soldaten ziehen nach Westen in den Schutz der Yanshan-Berge. Zur Stunde bedrohen die roten Teufel unsere Hauptstadt. Sie lagern etwa fünfzehn Kilometer von diesen geheiligten Mauern entfernt. Und darum ist es

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