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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Händen.
    Sie breitete die Arme aus. »Himmlischer Prinz, Eure Gesundheit und somit die Gesundheit des Reiches ist von größter Wichtigkeit. Daher überlasse ich Euch meinen Eunuchen Li Lien-ying, einen Meister der Akupressur, als Geschenk.« Sie wies auf ihren unauffällig anwesenden Diener. »Seine Heilkünste sind im ganzen Land berühmt, und nun übergebe ich Euch sein wirkungsvolles Können.«
    Der Kaiser nickte dankbar. »Ihr seid sehr großzügig, meine Gemahlin. Li Lien-ying wird mir gut dienen.«
    Cixi verbeugte sich. »Das ist das Wenigste, was ich tun kann. Ich lebe nur für Euch, mein Gemahl.«

23.
Tongzhou, China
19 Kilometer östlich von Peking
24. September 1860
Ortszeit: 7.05 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 205
    Wie vereinbart ritt Randall Chen in das befestigte Tongzhou, um den Gouverneur Yu zu sprechen. Der war zugegen gewesen, als Harry Parkes vor seiner Gefangennahme bei Chang Chia-wan mit den Kaiserlichen Kommissaren Mu Yin und Prinz Yi zusammentraf. Inzwischen hatte Randall erfahren, dass man nur Pater Duluc und Captain Brabazon nach Tongzhou ins Gefängnis gebracht hatte. Die Übrigen waren offenbar nach Peking geschafft worden. Randall handelte mit dem Gouverneur von Tongzhou aus, seine Stadt vor Angriff und Plünderung zu bewahren, wenn er ihm dafür half, die Abgesandten zurückzubekommen.
    Widerstrebend willigte Lord Elgin in den Handel ein und ließ bei Chang Chia-wan das Lager aufschlagen, von wo er stündlich Reiter nach Peking schickte, damit sie die Stärke etwaig verbliebener Tatarenschwadronen feststellten. Während des vergangenen Tages war es immer wieder zu Scharmützeln gekommen, die sich aber nicht ausgeweitet hatten – der Weg nach Peking war nach wie vor frei. Lord Elgins größte Sorge war es, Parkes und sein Gefolge zurückzuholen. Er nahm eine vorsichtige Haltung ein, was einen Angriff auf Peking betraf, da er fürchtete, dass jeder Übereifer von seiner Seite zu drastischen Handlungen gegen Harry führen könnte.
    Wie am Vortag ritt Randall durch das offene Stadttor an den britischen Wächtern vorbei und die staubige Hauptstraße entlang. Die zahlreichen engen Gassen und Lehmziegelhäuser wirkten verlassen. Als er an einer großen Kreuzung ankam und keine Menschenseele sah, lief ihm ein Schauder über den Rücken. Gestern noch war es hier recht belebt gewesen.
    Randall trug einen schwarzen Ledermantel und hatte sich einen Schal um Mund und Nase gebunden. Den zog er jetzt herunter und lauschte. Während er sich nach allen Seiten umdrehte, sah er vier Soldaten der King’s Dragoons zu Pferde, das Enfield-Gewehr auf dem Rücken, knapp zwanzig Kilometer entfernt; Elgin hatte sie zweifellos hinter ihm her geschickt, damit sie auf ihn aufpassten. Randall schaute sich noch einmal suchend um. Außer den Soldaten war niemand zu entdecken. Eigentlich sollte das Leben in der Stadt mehr oder weniger normal weitergehen, nachdem er die Schonung ausgehandelt hatte.
    Mit einem Stoß der Absätze trieb er sein Pferd an und ritt die Straße hinunter zum Haus des Gouverneurs. Äußerst wachsam spähte er an jeder Ecke in die Seitenstraße, ob sich dort etwas regte, aber alles war still. Er hörte nur die Hufe seines Reittiers und das leise Schnauben der Nüstern. Der Atem des Pferdes kondensierte in der kalten Morgenluft.
    Dann kam von irgendwoher ein Wimmern. Randall zog die Zügel zur Seite und lenkte sein Pferd auf das Geräusch zu, das ihm Grauen einflößte. Nachdem er das Haus ausgemacht hatte, aus dem das Wimmern kam, ließ er sich aus dem Sattel gleiten und trat lautlos auf die schlichte hölzerne Treppe vor der Tür. Er blickte zur Straßeneinmündung. Die Dragoner waren nicht zu sehen. Das Wimmern hielt an. Es klang so unglücklich und rührte tief in ihm an ein latentes Gefühl der Verzweiflung, von dem er nichts geahnt hatte. Er war unbewaffnet. Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und schaute ins Dämmerlicht, bis er etwas erkennen konnte.
    Auf dem Boden dieses schlichten Heims lagen die Leichen von mindestens dreißig Frauen und Mädchen, die älteste mochte fünfzig sein, das jüngste Kind erst zwei. Die Möbel waren auf eine Zimmerseite geschoben worden. Der üble Gestank von rohem Opium und Erbrochenem hing in der Luft. Dutzende halb geleerter Opiumbüchsen lagen zwischen den Leichen, deren Münder von dem schwarzen klebrigen Zeug verschmiert waren.
    Wer da wimmerte, war eine junge Frau von kaum zwanzig Jahren, die in einer Ecke lehnte. Ihr Mund war schwarz verklebt, die

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