Zeitriss: Thriller (German Edition)
Zeit, dass wir handeln.«
Hsien Fengs nervöser Blick schweifte durch die Halle. Seine gelblichen Augen waren voller Furcht und Ratlosigkeit. Ehe er zum Sprechen ansetzte, kam Cixi ihm zuvor, denn sie spürte instinktiv, dass seine Worte anders ausfallen würden, als es in diesem kritischen Moment erforderlich war.
»Der Sohn des Himmels muss in seiner Weisheit einer Audienz mit den roten Teufeln zustimmen«, sagte Cixi in bezwingendem Ton. »Auf dem Schlachtfeld haben sie uns mit ihren Waffen überlistet, doch wir werden sie am Verhandlungstisch besiegen. Dort werden sie uns hoffnungslos unterlegen sein.« Darauf tat der Sohn des Himmels – ihr Geliebter und Gefährte – das Schlimmste, das er tun konnte. Er blickte Rat suchend zu seinem Großsekretär.
Su Shun ergriff die Gelegenheit sofort. »Cixi hat ihre Meinung geändert«, sagte er schlau. »Sie hat zum Krieg geraten, und ihr Rat hat zum Scheitern geführt.«
»Euer Rat dagegen lautete, unser Heer gegen die Taiping-Rebellen zu führen, anstatt Peking zu beschützen«, erwiderte sie so ruhig sie konnte.
»Und dabei Verhandlungen mit den roten Teufeln zu führen«, ergänzte Su Shun. »Ich habe immer befürchtet, dass dies ein Krieg ist, den wir nicht gewinnen können. Unsere Truppen sind weit über das Land verteilt. Sie kämpfen in allen Ecken des Reiches, häufig gegen Aufständische.« Er heftete seinen Blick auf den Kaiser. »Ihr müsst auf mich hören, Sohn des Himmels. Es ist Zeit, dass Ihr die Stadt verlasst. Ihr dürft in diesem Zustand nicht vor die roten Teufel treten. Eure Gesundheit steht für die Gesundheit des Reiches. Ihr seid krank, weil das Reich krank ist. Wir müssen die Sicherheit des Nordens aufsuchen.«
»Ihr ratet dem Sohn des Himmels, aus seinem Haus zu fliehen?«, fragte Cixi.
»Der Sohn des Himmels muss gesunden, ehe er sich der giftigen Gegenwart der roten Teufel aussetzt. Zu diesem Zweck muss er in das Haus seiner Väter gebracht werden, wo er sein Leiden behandeln lassen kann.«
»Um zu gesunden, muss der Kaiser sein Reich gesund machen«, erwiderte Cixi. »Das kann er nicht von jenseits der Großen Mauer tun. Seine Macht wird mit der Entfernung schwächer. Er muss bleiben und verhandeln. Er ist die Schar am Pflug, ohne den die Erde nicht gewendet werden kann.«
Hsien Feng hob eine gebrechliche Hand. »Ich habe entschieden«, sagte er atemlos. Ein Schweißfilm glänzte auf seiner gelblichen Stirn. »Ich werde das Land meiner Vorväter aufsuchen, um zu genesen. So lautet meine Entscheidung.«
Su Shun verbeugte sich. »Wir müssen sofort zum Palast von Jehol aufbrechen. Schnelligkeit ist unser größter Verbündeter bei Eurer Genesung, Himmlischer Prinz.«
»Und was werden wir den Männern und Frauen Pekings sagen?«, fragte Cixi gequält. »Dass wir sie in der schwersten Stunde verlassen haben? Dass die Hauptstadt nicht mehr sicher ist? Die roten Teufel werden Peking plündern, wenn sie erfahren, dass Ihr aus Furcht geflohen seid. Ohne Euren Schutz werden sie das Land und seine Menschen schänden.«
Mitgefühl für das Volk war das zwingendste Argument, das sie ins Feld führen konnte. Doch nach seiner Miene zu urteilen war der Himmlische Prinz von ihren Worten nicht beeindruckt. Er war mehr damit befasst, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
»Wenn wir die Verbotene Stadt unbewacht lassen, werden die roten Teufel ihre Krallen hineinschlagen wie der Falke in einen jungen Hasen«, gab Prinz Kung zu bedenken. »Wir müssen bleiben, Sohn des Himmels. Wir müssen bleiben und unser Volk beschützen.« Mit einem schnellen Blick suchte er Cixis Anerkennung; er hatte genau das gesagt, was sie ihm aufgetragen hatte.
Su Shun bereitete sogleich den nächsten Schachzug vor. »Wer hierbleibt, um mit den roten Teufeln zu verhandeln, muss der kaiserlichen Familie angehören, damit der Eindruck entsteht, dass ihm die Verhandlungsvollmacht vom Sohn des Himmels verliehen wurde. So werden wir die Stadt und das Volk schützen und zugleich dem Kaiser ermöglichen, im Palast von Jehol zu gesunden. Ich schlage vor, dass Ihr mit den Barbaren verhandelt, Prinz Kung. Ihr seid der leibliche Bruder des Kaisers. Sein Blut fließt in Euren Adern.«
Der Ausdruck des Schreckens, der über das junge Gesicht glitt, entging niemandem. »Mir fehlt die Weisheit, um an Eure Stelle zu treten, Himmlischer Prinz. Ich bin Euer Bruder, aber Ihr allein seid der Sohn des Himmels.«
»Ihr werdet guten Rat nötig haben«, pflichtete Su Shun bei. »Ich
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