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Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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schienen zu glauben, zur Konstruktion einer neuen Theorie brauchte man nur neue Begriffe zu erfinden. Zusammen mit »Energie«, »Feld«, »Neutrino« und anderen bekannten Begriffen erschienen »Makron«, »Superon« und »Fluxkraft« – alle undefiniert und alle von der magischen Aura des Gläubigen umgeben.
    Gordon konnte sie nach kurzer Zeit auf den ersten Blick erkennen. Sie kamen in sein Büro oder ins Labor und riefen ihn zu Hause an, und sofort konnte er sie von normalen Menschen unterscheiden. Die Irren hatten immer Reizworte, die ziemlich am Anfang auftauchten. Sie behaupteten, alles gelöst zu haben – alle bekannten Probleme in einer großen Synthese zusammengefasst zu haben. »Einheitliche Theorie« war ein hundertprozentiges Indiz. Ein anderes war das plötzliche, unerklärliche Erscheinen von Glaubensbegriffen wie »Superon«. Anfangs lachte Gordon, wenn das geschah, und nahm die Irren mit humorigen Worten auf den Arm. Aber ein drittes untrügliches Kennzeichen der Irren war ihre Humorlosigkeit. Sie lachten nie, wichen nie einen Zoll zurück. Wenn man sich offen über sie lustig machte, hatte das stets schlimme Folgen. Durch die Bank waren sie überzeugt, dass jeder Wissenschaftler darauf aus war, ihre Ideen zu stehlen. Einige warnten ihn, sie hätten bereits ein Patent angemeldet. (Die Tatsache, dass man eine Erfindung, nicht aber eine Idee patentieren kann, war ihnen entgangen.) An diesem Punkt versuchte Gordon, das Gespräch einigermaßen geschickt zu beenden. Am Telefon war das leicht, er legte einfach auf. Mit Besuchern war das nicht so einfach. Widerstand gegen ihre bahnbrechenden Ideen führte unvermeidlich zu der Drohung, sie würden sich auf der Stelle an die Zeitungen wenden; dabei setzten sie ein grimmiges Gesicht auf, um zu signalisieren, dass sie nun, wenn auch widerstrebend, zur äußersten, ultimativen Waffe greifen mussten. Die Presse war für sie stets der Richter in Wissenschaftsfragen. Da Gordon durch die San Diego Union in ihr Blickfeld geraten war, würde er natürlich jede Attacke auf den gleichen geweihten Seiten zutiefst fürchten.
    Schließlich entwickelte Gordon Verteidigungsmechanismen. Das Telefon legt er schnell auf – so schnell, dass er einmal seine Mutter abhängte, weil er durch die transkontinentalen Störgeräusche ihre Stimme nicht erkannte und kaum etwas verstand. Ähnlich leicht war der Umgang mit Manuskripten und Briefen. Er schrieb zurück, die Ideen seien zwar »interessant«, überstiegen aber seine Fähigkeiten, sodass er keine Stellung zu ihnen nehmen könnte. Das funktionierte, sie antworteten nie. Am ärgsten war es mit persönlichen Besuchern. Er lernte, abrupt oder sogar grob zu sein. Die hartnäckige Sorte – wie Edwards – lenkte er behutsam auf andere Themen. Dann drängte er sie langsam zur Tür und murmelte beschwichtigende Worte – versprach aber nie, ein Manuskript zu lesen, sich einen Vortrag anzuhören oder für eine Theorie zu bürgen. Das hätte nur weitere Zeitverschwendung bedeutet. Er schob sie langsam auf die Tür zu, und sie gingen; verärgert manchmal, aber sie gingen.
    Ein Nebeneffekt dieser Besuche von Irren waren Randbemerkungen der anderen Mitglieder der Abteilung. Zuerst nahmen sie mit Interesse von den Besuchern Notiz. Dann waren sie amüsiert, und Gordon erzählte ihnen Anekdoten über merkwürdige Theorien und noch merkwürdigere Verhaltensweisen. Aber mit der Zeit wandelte die Stimmung sich. Seine Kollegen fanden keinen Gefallen daran, dass die San Diego Union die Abteilung in ein so diffuses Licht gesetzt hatte. Sie hörten auf, ihn beim Nachmittagskaffee nach neuen Besuchern zu fragen. Gordon bemerkte die Veränderung.

18
     
    24. Mai 1963
     
    S an Diego wuchs. Anstatt sich nach dem wirren Vorbild von Los Angeles zu strukturieren, entschied sich die jüngere Stadt im Süden, Angestellte, »saubere« Industriebranchen und Denkfabriken anzusiedeln. Die größte dieser Fabriken war General Atomic, kaum eine Meile von der flügge gewordenen Universität entfernt. Beachtliche Kapazitäten dokterten, von der Regierung unterstützt, an Problemstellungen herum. Bekannte Größen von Berkeley und Caltech verbrachten angenehme Monate hier und schrieben Wandtafeln voll, während draußen Eichhörnchen und Kaninchen nach Futter suchten. Die Tiere waren Bestandteile eines von Psychologen ausgetüftelten Plans, um Ruhe, Stille und tiefe Gedanken zu erzeugen; die Ähnlichkeit mit einem Disney-Film war vermutlich reiner Zufall. Die

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